1. Die Person des Familienrichters/der Familienrichterin
Schiffer, um noch einmal auf die Überlegungen des früheren Reichsjustizministers zurückzukommen, beschreibt das Anforderungsprofil für den mit Familiensachen zu betrauenden Richter so: Es müsse sich um einen "älteren, taktvollen, erfahrenen und bis zur Weisheit klugen Richter" handeln. Ein "verbrauchter, stumpfer alter Herr" sei allerdings ebenso wenig geeignet wie ein "jugendlicher Assessor". Auch dürften die Geschäfte dieses Richters nicht "gegenüber anderen Zweigen der richterlichen Tätigkeit als minderwertig betrachtet" werden.
Im Kern entspricht das den Vorstellungen, die der Gesetzgeber bei der Einrichtung der Familiengerichte im Jahre 1977 hatte, und über die allgemeiner Konsens bestand. In den Materialien heißt es dazu, die Richter, denen Familiensachen übertragen werden sollten, müssten "über hinreichende richterliche Erfahrung verfügen und besonders qualifiziert sein", ohne dass allerdings eine "besondere Vorbildung, wie eine psychologische Schulung" verlangt werde. An anderer Stelle ist davon die Rede, dass "nur Richter mit spezifischer Berufs- und Lebenserfahrung" geeignet seien. Sie müssten angesichts der zu bearbeitenden Materie über ein "weit gespanntes Wissen" verfügen. Hervorgehoben wird, dass sie Entscheidungen treffen müssten, die für die Beteiligten "von weit tragender, oft schicksalhafter Bedeutung" seien. Die vor diesem Hintergrund zunächst angestellten Überlegungen, die besonderen Qualitätsanforderungen an den Familienrichter besoldungsrechtlich durch eine höhere Einstufung als die des normalen Amtsrichters zum Ausdruck zu bringen, wurden aus fiskalischen Gründen verworfen.
Diese Vorstellungen des Gesetzgebers zu der Frage der Eignung als Familienrichter haben allerdings nur in einem Punkt im Gesetz ihren Niederschlag gefunden. § 23b Abs. 3 GVG hatte in seiner ursprünglichen Fassung im Hinblick darauf, dass richterliche Erfahrung für erforderlich gehalten wurde, vorgesehen, dass ein Richter auf Probe die Geschäfte des Familienrichters nicht wahrnehmen dürfe. Das bedeutete, dass ein Richter erst nach seiner Ernennung auf Lebenszeit, frühestens also nach drei Jahren richterlicher Tätigkeit, mit Familiensachen betraut werden konnte. Die Personalengpässe infolge der Wiedervereinigung haben allerdings dazu geführt, dass im Jahre 1991 die Regelung in § 23b Abs. 3 GVG dahingehend geändert worden ist, dass ein Einsatz als Familienrichter bereits nach einem Jahr Tätigkeit als Proberichter möglich ist. An dieser Regelung ist bis heute trotz Kritik festgehalten worden. Von diesem Punkt abgesehen fehlt es aber an einer gesetzlichen Vorschrift zur Qualifikation des Familienrichters. Die Präsidien der Gerichte sind daher grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, wem sie Familiensachen übertragen. Sie sollten jedoch den in den Materialien und in der Funktionsbezeichnung "Familienrichter" zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Blick behalten.
Misst man die Realität bei der personellen Besetzung der Familiengerichte in Deutschland an der Idee des Gesetzgebers, so lässt sich zunächst einmal feststellen, dass ganz überwiegend nicht erfahrene, ältere, sondern jüngere Kollegen, die noch am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen, mit Familiensachen betraut werden, nicht selten auch Richter, die sich noch in der Probezeit befinden. Und häufig geschieht das gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen nach dem Prinzip: Wenn niemand freiwillig zum Familiengericht gehen will, dann trifft es den Dienstjüngsten. Das sind natürlich keine für eine erfolgreiche Arbeit verheißungsvollen Startbedingungen, doch zeigt die Erfahrung, dass ein nicht unwesentlicher Anteil dieser Kollegen nach der Einarbeitungszeit Gefallen an der Tätigkeit findet und am Ende nicht mehr wechseln will. Worauf aber beruht diese weit verbreitete Abneigung gegen eine Arbeit am Familiengericht? Es ist zunächst die Furcht vor einer fremden Materie, mit der man während der Ausbildung in der Regel wenig oder gar nicht befasst war. Hinzu kommt die abschreckende Wirkung der überdurchschnittlich hohen Belastungssituation bei den Familiengerichten. Und auch das unter Richterkollegen vielfach immer noch schlechte Ansehen der Familienrichter aufgrund des Vorurteils, Familiensachen seien juristisch weniger anspruchsvoll als andere Gebiete, vor allem als allgemeine Zivilsachen, mag eine Rolle spielen. Die Bezeichnung "Familienrichter" ist nicht unbedingt, jedenfalls nicht überall, zum "Ehrentitel" geworden, wie es noch von Schiffer gefordert worden ist.
Doch ist die personelle Besetzung der Familiengerichte in Deutschland, die Auswahl der Familienrichter durch die Gerichtspräsidien insgesamt zu beklagen? Dazu sei die Frage gestellt: Was sind eigentlich die besonderen Anforderungen, denen der Familienrichter ausgesetzt ist? Ist es die Fähigkeit, besonders schwierige und viele Bereiche umfassende Rechtsmaterien bearbeiten zu müssen? In der Tat muss der Familienrichter weit gefächerte Rechtsgebiete durchdringen, er muss nicht nur das...