Die entstandene Situation – die vom Grundsatz her uneingeschränkte, quasi automatische Unterhaltsbegrenzung bei Fehlen ehebedingter Nachteile – war für die Betroffenen kaum noch akzeptabel. In der öffentlichen Meinung kam es fast schon zu einem "Aufschrei", der schließlich zu einem Gegensteuern durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, aber auch von Seiten des Gesetzgebers führte:
a) Nachsteuerung in der Rechtsprechung
Nach einem ersten, vorsichtigen Hinweis auf eine bevorstehende Rechtsprechungskorrektur im Urteil vom 26. November 2008, wonach der Ehedauer gemäß der Begründung zum Unterhaltsrechtsänderungsgesetz 2008 eine besondere Bedeutung zukomme, hob der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 27. Mai 2009 schließlich deutlich hervor, dass § 1578b BGB nach dem Willen des Gesetzgebers der Unterhaltsrechtsreform sich nicht allein auf eine Kompensation ehebedingter Nachteile beschränke, sondern auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität berücksichtige, weil die “insbesondere‘ auf ehebedingte Nachteile abstellende Formulierung in § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB andere Gesichtspunkte wie etwa die Ehedauer von der Billigkeitsabwägung keineswegs ausschließe. Die Karlsruher Richter bauten damit einen Hinweis aus, der bereits in einer der frühen Entscheidungen zur Ehedauer angedeutet worden war; dass nämlich der Ehedauer schon deshalb ein besonderes Gewicht zukommen muss, weil bereits die Lebenserfahrung dafür spricht, dass die Ehegatten mit fortschreitender Ehedauer ihre Lebensführung wechselseitig aufeinander einstellen und sich daraus eine gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit entwickeln kann. Der in diesem Hinweis angesprochene Gedanke der nachehelichen Solidarität hat Eingang in die Einzelbegründung des Gesetzgebers zu § 1578b BGB gefunden, auf die der Bundesgerichtshof in den Gründen des Urteils vom 27. Mai 2009 ausdrücklich Bezug nahm: In den Gesetzesmaterialien heißt es, dass § 1578b BGB auch Fälle erfasse, "in denen es nicht um die Kompensation “ehebedingter Nachteile‘, sondern allein um das Ausmaß der darüber hinausgehenden nachehelichen Solidarität geht" sowie weiter, dass "Billigkeitsmaßstab für die Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des Unterhalts in derartigen Fällen allein die fortwährende Solidarität im Licht des Grundsatzes der Eigenverantwortung ist, wobei die in § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB (a.F.) genannten Umstände auch Bedeutung für das Ausmaß einer fortwirkenden Verantwortung haben. Das gilt insbesondere für die Dauer der Ehe."
Damit war der Weg frei für eine Neubewertung des Merkmals der Ehedauer: Der Bundesgerichtshof führt aus, dass auch in den Fällen, in denen die fortwirkende eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, den in § 1578b Abs. 1 BGB genannten Umständen eine besondere Bedeutung zufalle. Auf deren Grundlage, insbesondere der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe sei auch der Umfang der geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen. Diese, eine umfassende Billigkeitsabwägung fordernde Rechtsprechung ist in der Folgezeit weiter ausgebaut und verfeinert worden, indem einerseits die Ehedauer in ihrer Funktion als Schutzwall zugunsten des unterhaltsberechtigten Ehegatten gestärkt, andererseits aber auch herausgearbeitet wurde, dass es sich bei der Ehedauer keineswegs um einen absoluten, von sämtlichen anderen relevanten Kriterien losgelösten Aspekt mit Alleinstellungsmerkmal handelt.