Ausgangslage
Die Entscheidung des BGH vom 26.6.2013 befasst sich mit einer Reihe von wichtigen Streitpunkten, die für die Praxis relevant sind. Diese sind insbesondere
– das Vorliegen einer Beschwer bei Angriff des Ausspruchs der Scheidung im Rahmen eines Verbundverfahrens in der Beschwerde- und der Revisionsinstanz,
– die Frage der Anwendbarkeit des ausländischen oder des inländischen Sachrechts bei deutsch-schweizerischen Fällen anhand des Haager Unterhaltsprotokolls (HUP),
– die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von neuen Tatsachen in der Revisionsinstanz,
– die Auslegung von Eheverträgen,
– die Bemessung des Bedarfs für den Krankenunterhalt unter Berücksichtigung des Inhalts eines Ehevertrages,
– die Einbeziehung von sämtlichen Einkünften bei der Frage der Leistungsfähigkeit,
– die Frage der Wirksamkeit eines Ausschlusses des Zugewinns in einem Ehevertrag bzw. die Notwendigkeit einer Anpassung des Vertrages, wenn ein Ausgleich über den Versorgungsausgleich nur in einem ganz minimalen Umfang erfolgt ist.
Inhalt der Entscheidung
Die Antragsgegnerin, die Staatsangehörige der Schweiz ist, und der Antragsteller, der deutscher Staatsangehöriger ist, heirateten am 29.6.1990. Zwei Tage vor der Eheschließung schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, mit dem sie unter anderem Gütertrennung vereinbarten. In § 1 des Vertrages findet sich ferner folgende Regelung:
Zitat
"Der Ehegatte, der den Haushalt versorgt, die Kinder betreut oder dem anderen im Beruf oder Gewerbe hilft, hat Anspruch darauf, dass der andere ihm regelmäßig einen angemessenen Betrag zur freien Verfügung stellt. Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des anderen erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung, sofern diese Entschädigung nicht im Rahmen eines Arbeits- oder Gesellschaftsvertrages separat geleistet wird."
Weiter vereinbarten die Parteien in § 2 einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt für den Fall, dass die Ehe kinderlos bleiben sollte und beide Ehegatten bis zum Zeitpunkt des Getrenntlebens berufstätig sind. Soweit Kinder aus der Ehe hervorgehen sollten, vereinbarten die Parteien:
Zitat
"Hat ein Ehegatte wegen Kindererziehung seinen Beruf zeitweise nicht ausgeübt, so ist ihm Unterhalt zu zahlen, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst, wenn er durch die Erziehung der Kinder bedingt in seinem Beruf noch nicht oder nicht voll tätig ist. Dieser Unterhalt ist so lange zu zahlen, bis sich der Ehegatte ohne Gefährdung der Kindererziehung und des Kindeswohls selbst unterhalten kann. Sollte sich diese Vereinbarung anlässlich der Ehescheidung als unwirksam erweisen, so verpflichten sich die Ehegatten, eine entsprechende angemessene Scheidungsvereinbarung unter Berücksichtigung vorgenannter und der Grundsätze von Treu und Glauben zu treffen ( … )."
Während der Ehe lebten die Parteien gemeinsam in Deutschland. Aus der Ehe ist ein im Dezember 1990 geborener Sohn hervorgegangen, der im Haushalt der Antragsgegnerin lebt. Die Antragsgegnerin ist nach der Trennung der Parteien im Jahr 2005 mit dem Sohn in die Schweiz verzogen.
Die Antragsgegnerin hatte bis zur Eheschließung in der Schweiz als Personalberaterin gearbeitet und zuletzt einen Bruttolohn von 6.400 Schweizer Franken (CHF) erzielt. Nach der Heirat war sie im Unternehmen des Antragstellers als geringfügig Beschäftigte angestellt. Der Antragsteller zahlte ihr ab Oktober 1990 neben Lohn und Haushaltsgeld monatliche Beträge in Höhe von 256 EUR bis 350 EUR, die mit dem Verwendungszeck "zur freien Verfügung" bezeichnet waren. Die Antragsgegnerin kümmerte sich überwiegend um die Betreuung des gemeinsamen Kindes und die Haushaltsführung. Sie ist derzeit erwerbsunfähig und begehrt von dem Antragsteller in einem Scheidungsverbundverfahren nachehelichen Unterhalt sowie einen vermögensrechtlichen Ausgleich.
Der Antragsteller ist Geschäftsführer und zu 49 % Gesellschafter einer GmbH. Er ist seit Januar 2005 Präsident einer Handwerkskammer sowie Mitglied des Aufsichtsrats einer Landesmesse und einer Unternehmensgruppe.
Das Amtsgericht hat die Ehe mit Zustimmung der Antragsgegnerin geschieden, im Wege des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin Rentenanwartschaften von monatlich 61 EUR bezogen auf den 31.12.2005 übertragen sowie den Antragsteller unter Anwendung deutschen Rechts zur Zahlung monatlichen nachehelichen Unterhalts in Höhe von 2.903 EUR bis einschließlich Mai 2012 sowie ab Juni 2012 in Höhe von dann noch 2.056 EUR verurteilt. Weiter hat das Amtsgericht den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin einen einmaligen Betrag von 51.366 EUR zuzüglich Zinsen zu zahlen. Auf die Berufungen der Parteien hat das Oberlandesgericht den Scheidungsausspruch und die Entscheidung zum Versorgungsausgleich bestätigt und den Ehegattenunterhalt auf monatlich 3.081 EUR heraufgesetzt sowie die Einmalzahlung auf 46.261 EUR zuzüglich Zinsen reduziert...