BGB § 242 § 1578 § 1578b § 1581 § 1613; ZPO § 308 § 559 Abs. 1; HUÜ 73 Art. 8; HUP Art. 2 3 Abs. 1 5 18; EuUnthVO Art. 15 76
Leitsatz
a) Das Begehren eines Ehegatten, die Auflösung des Scheidungsverbundes vor einer abschließenden Entscheidung über eine Folgesache in der Rechtsmittelinstanz zu verhindern, vermag die für ein Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch erforderliche Beschwer nicht zu begründen (im Anschluss an Senatsurt. v. 26.11.1986 – IVb ZR 92/85, FamRZ 1987, 264).
b) Die erstmals in der Revisionsinstanz erhobene Einrede nach Art. 5 HUP ist vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn die Anwendung des Haager Unterhaltsprotokolls und des danach berufenen Sachrechts auf einem Verfahrensfehler beruht, die der Einrede zugrunde liegenden Tatsachen unstreitig sind und auch die weiteren Voraussetzungen vorliegen, die eine ausnahmsweise Berücksichtigung neuer Tatsachen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Revisionsinstanz zulassen (im Anschluss an Senatsurt. v. 14.10.2009 – XII ZR 146/08, FamRZ 2009, 1990 Rn 27 und v. 21.11.2001 – XII ZR 162/99, FamRZ 2002, 318, 319 m.w.N.).
c) Gibt der aus dem Ausland stammende Unterhaltsberechtigte ehebedingt seine Erwerbstätigkeit auf und wird er später erwerbsunfähig, so ist die fiktive Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Rückkehr in sein Heimatland so zu bemessen, als hätte er dort bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit durchgehend gearbeitet und einen entsprechenden Rentenanspruch erworben (im Anschl. an Senatsurt. v. 16.1.2013 – XII ZR 39/10, FamRZ 2013, 534 Rn 24).
d) Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB ist ein Erwerbstätigkeitsbonus nicht zu berücksichtigen.
BGH, Urt. v. 26.6.2013 – XII ZR 133/11 (OLG Stuttgart, AG Nürtingen)
Anmerkung
Anm. d. Red.: Die Entscheidung ist abgedruckt in FamRZ 2013, 1366 ff. m. Anm. Gruber.
2 Anmerkung
Ausgangslage
Die Entscheidung des BGH vom 26.6.2013 befasst sich mit einer Reihe von wichtigen Streitpunkten, die für die Praxis relevant sind. Diese sind insbesondere
– das Vorliegen einer Beschwer bei Angriff des Ausspruchs der Scheidung im Rahmen eines Verbundverfahrens in der Beschwerde- und der Revisionsinstanz,
– die Frage der Anwendbarkeit des ausländischen oder des inländischen Sachrechts bei deutsch-schweizerischen Fällen anhand des Haager Unterhaltsprotokolls (HUP),
– die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von neuen Tatsachen in der Revisionsinstanz,
– die Auslegung von Eheverträgen,
– die Bemessung des Bedarfs für den Krankenunterhalt unter Berücksichtigung des Inhalts eines Ehevertrages,
– die Einbeziehung von sämtlichen Einkünften bei der Frage der Leistungsfähigkeit,
– die Frage der Wirksamkeit eines Ausschlusses des Zugewinns in einem Ehevertrag bzw. die Notwendigkeit einer Anpassung des Vertrages, wenn ein Ausgleich über den Versorgungsausgleich nur in einem ganz minimalen Umfang erfolgt ist.
Inhalt der Entscheidung
Die Antragsgegnerin, die Staatsangehörige der Schweiz ist, und der Antragsteller, der deutscher Staatsangehöriger ist, heirateten am 29.6.1990. Zwei Tage vor der Eheschließung schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, mit dem sie unter anderem Gütertrennung vereinbarten. In § 1 des Vertrages findet sich ferner folgende Regelung:
Zitat
"Der Ehegatte, der den Haushalt versorgt, die Kinder betreut oder dem anderen im Beruf oder Gewerbe hilft, hat Anspruch darauf, dass der andere ihm regelmäßig einen angemessenen Betrag zur freien Verfügung stellt. Hat ein Ehegatte im Beruf oder Gewerbe des anderen erheblich mehr mitgearbeitet, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlangt, so hat er dafür Anspruch auf angemessene Entschädigung, sofern diese Entschädigung nicht im Rahmen eines Arbeits- oder Gesellschaftsvertrages separat geleistet wird."
Weiter vereinbarten die Parteien in § 2 einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt für den Fall, dass die Ehe kinderlos bleiben sollte und beide Ehegatten bis zum Zeitpunkt des Getrenntlebens berufstätig sind. Soweit Kinder aus der Ehe hervorgehen sollten, vereinbarten die Parteien:
Zitat
"Hat ein Ehegatte wegen Kindererziehung seinen Beruf zeitweise nicht ausgeübt, so ist ihm Unterhalt zu zahlen, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst, wenn er durch die Erziehung der Kinder bedingt in seinem Beruf noch nicht oder nicht voll tätig ist. Dieser Unterhalt ist so lange zu zahlen, bis sich der Ehegatte ohne Gefährdung der Kindererziehung und des Kindeswohls selbst unterhalten kann. Sollte sich diese Vereinbarung anlässlich der Ehescheidung als unwirksam erweisen, so verpflichten sich die Ehegatten, eine entsprechende angemessene Scheidungsvereinbarung unter Berücksichtigung vorgenannter und der Grundsätze von Treu und Glauben zu treffen ( … )."
Während der Ehe lebten die Parteien gemeinsam in Deutschland. Aus der Ehe ist ein im Dezember 1990 geborener Sohn hervorgegangen, der im Haushalt der Antragsgegnerin lebt. Die Antragsgegnerin ist nach der Trennung der Parteien im Jahr 2005 mit dem Sohn in die Schweiz verzogen.
Die Antr...