Hervorzuheben ist auch die Argumentation des BVerfG, dass im vorliegenden Fall besonders strenge Anforderungen an die Prüfung milderer Mittel zu stellen seien, weil die Unterbringung der Kinder nicht wegen einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge angeordnet worden sei, sondern freiwillig wegen eines unverschuldeten Unvermögens der Eltern erfolgt sei. "Aufgrund der Vorgeschichte" seien hier Leistungen in Betracht zu ziehen gewesen, die nach Art und Umfang über das hinausgehen, was der Staat üblicherweise zu leisten verpflichtet ist. Welche Umstände der Vorgeschichte konkret gemeint sind, wird aus der Begründung allerdings nicht ganz klar. Neben dem fehlenden Verschulden der Eltern ist wohl die Weigerung des Jugendamtes gemeint, den Eltern nach der Inobhutnahme Hilfen zur Ermöglichung einer Rückführung der Kinder anzubieten, woraus sich erst die langjährige Bindung der Kinder zu den Pflegeeltern ergeben hat.
Wenn das BVerfG von über die üblichen Leistungspflichten hinausgehenden Hilfen spricht, so leuchtet dies ein, soweit das Jugendamt den enormen Kostenaufwand einwenden wollte, der vorliegend für die Hilfen notwendig wäre, die eine Rückführung der Zwillinge erlauben würden. Die Pflicht zur Kostenübernahme könnte man entweder aus einem Verschulden des Jugendamtes (Amtshaftung), oder zumindest aus einer Art Folgenbeseitigungsanspruch wegen eines dem Jugendamt zurechenbaren rechtswidrigen Zustandes ableiten. Weniger überzeugend wäre es jedoch, wenn damit die Unterstützung der Rückführung des Kindes über einen "im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes vertretbaren zeitlichen Rahmen" hinaus gemeint sein sollte, der bei Kindern unter drei Jahren in der Regel bei ca. 12 Monaten gezogen wird, bevor das Jugendamt gemäß § 37 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII eine langfristige Perspektive für das Kind außerhalb der Familie suchen soll. Denn dieser zeitliche Rahmen ist hier bereits um mehr als das Vierfache überschritten, im Übrigen soll durch diese Regelung gerade nicht finanziellen Bedürfnissen der Jugendämter, sondern dem Zeitempfinden des Kindes und seinem existenziellen Bedürfnis nach stabilen Betreuungsverhältnissen Rechnung getragen werden.
Fraglich ist ferner, ob auch das Verschulden der Eltern in diesem Zusammenhang ein taugliches Kriterium ist. Das Verschulden der Eltern wurde erst im Jahr 2008 aus dem Tatbestand des § 1666 BGB gestrichen, weil sich insoweit erhebliche Beweisprobleme ergeben können und die damit zusätzlich zur Feststellung und Beseitigung der Gefährdung erforderlichen Ermittlungen das Verfahren verzögern. Im Übrigen macht es aus Sicht des gefährdeten Kindes letztlich keinen Unterschied, ob den Eltern ein Schuldvorwurf zu machen ist oder nicht. Vor allem aber ist in den meisten Fällen einer Kindeswohlgefährdung fraglich, inwieweit den Eltern ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, wenn sie wegen einer psychischen Erkrankung oder einer häufig vorliegenden Multiproblemsituation (z.B. desolate eigene Kindheit mit mehreren Umplatzierungen und Bindungsabbrüchen, Geldprobleme, Alleinverantwortlichkeit für die Erziehung, gesundheitliche Probleme, Suchtmittelabhängigkeit) nicht oder nur eingeschränkt erziehungsfähig sind und das Wohl ihrer Kinder gefährden. Diese Eltern verdienen nicht mehr oder weniger staatliche Unterstützung bei der Rückführung ihrer Kinder als andere Eltern, wenn denn aus sozialpädagogischer Sicht eine Aussicht auf Erfolg besteht. Zudem ließe sich bei der Argumentation des BVerfG durchaus fragen, ob nicht auch das Elternpaar im vorliegenden Fall zumindest mitverantwortlich für die eingetretene Situation war, wenn es wegen gesundheitlicher, kultureller und sprachlicher Einschränkungen der 40-jährigen indischen Mutter und der altersbedingten Erziehungsunfähigkeit des 78-jährigen Vaters seine durch künstliche Befruchtung in Indien gezeugten Zwillinge nach der Geburt auch mit Hilfe einer Notmutter nicht in seinem Haushalt betreuen konnte und auch nach Genesung der Mutter zunächst nur eingeschränkt erziehungsfähig war.