GG Art. 6 Abs. 2, BGB § 1684 Abs. 4 S. 3, 4, SGB VIII § 18 Abs. 3 S. 3, 4
Leitsatz
Die Zurückweisung des Antrags eines Elternteils auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung des Umgangs mit seinem Kind durch das Familiengericht ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn nur ein begleiteter Umgang in Betracht kommt, jedoch kein zur Mitwirkung bereiter Dritter vorhanden ist.
(Leitsatz der Redaktion)
BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 29.7.2015 – 1 BvR 1468/15 (AG Bremen)
1 Anmerkung
Der im Leitsatz wiedergegebene wesentliche Inhalt des Nichtannahmebeschlusses ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wenn das Gesetz in § 1684 Abs. S. 3 BGB den begleiteten Umgang ausdrücklich von der Bereitschaft des Dritten, der hierbei mitwirken soll, abhängig macht, so kann der Umgang bei Fehlen einer solchen Bereitschaft nicht angeordnet werden. Dass dem Gericht die Befugnis fehlt, Dritte auch gegen ihren Willen zu einer Umgangsbegleitung zu verpflichten, verletzt nicht das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht des umgangsberechtigten Elternteils, da zumindest dann, wenn das Familiengericht die Mitwirkung des Jugendamts anordnen möchte, die Möglichkeit besteht, die Rechtmäßigkeit einer Weigerung zu überprüfen. Das Familiengericht kann dem Jugendamt keine Weisungen erteilen. Ob dessen Weigerung gegen § 18 Abs. 3 S. 4 SGBVIII verstößt, wonach es in "geeigneten Fällen" beim begleiteten Umgang mitzuwirken hat, ist ggf. im Wege der Dienstaufsicht oder auf Antrag des umgangsberechtigten Elternteils verwaltungsgerichtlich zu klären. Damit besteht ein umfassender Rechtsschutz zur Durchsetzung eines Umgangs, wenn dieser zur Vermeidung von Nachteilen für das Kindeswohl nur in Begleitung durch einen Dritten möglich ist.
Jugendämter zeigen sich wegen des relativ hohen Personalaufwands nicht selten mit der Durchführung eines begleiteten Umgangs überfordert. In der Praxis werden daher vielfach Einrichtungen wie der Kinderschutzbund mit der Umgangsbegleitung betraut. Abgesehen davon, dass die Mitwirkung solcher Einrichtungen freiwillig ist und weder dienstaufsichtsrechtlicher noch verwaltungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt, sind mit der Bereitschaft eines Dritten zur Mitwirkung noch längst nicht alle Hürden, die einem begleiteten Umgang im Weg stehen können, überwunden. Dies gilt ganz besonders, wenn es um den Umgang mit Kindern im Säuglings- oder Kleinkindalter geht. Einem nicht betreuenden Elternteil steht grundsätzlich auch mit solchen Kindern ein Umgang zu. Das geringe Alter des Kindes kann indes zu Problemen bei der Durchsetzung dieses Rechts führen. Dem knappen Sachverhalt in der Entscheidung lässt sich entnehmen, dass es sich um ein Kind handelt, das 2014 geboren wurde, d.h. im Zeitpunkt der Entscheidung maximal ein Jahr alt war. Die Überlegungen des Familiengerichts zum begleiteten Umgang legen es nahe, dass der Vater bisher nicht mit dem Kind zusammen gelebt hat und auch sonst keine Umgangskontakte stattgefunden haben. Der Vater ist somit für das Kind bei der ersten Begegnung eine fremde Person. Bei einem solchen Sachverhalt ist es nicht zu verantworten, dem Vater das Kind zur Durchführung von Umgangskontakten allein zu überlassen, wie dies ansonsten im Verhältnis von Kindern zu einem Elternteil, zu dem bereits eine emotionale Bindung besteht, regelmäßig der Fall ist. Dieser Konflikt von Kindeswohl und Elternrecht kann nicht allein durch die Einschaltung eines Dritten, der für das Kind ebenso fremd ist wie der umgangsberechtigte Vater, gelöst werden. Vorrangig vor der Einbeziehung eines Dritten ist zunächst an die Mitwirkung der Mutter zu denken, die am einfachsten und besten dazu beitragen könnte, die zwischen Kind und Vater bestehende Fremdheit zu überwinden und auf diese Weise zu einem für alle Beteiligten zumindest befriedigenden Umgang zu gelangen. Soweit die Mutter hierzu nicht bereit ist oder der Vater ihre Mitwirkung ablehnt, bleibt allein die Möglichkeit des begleiteten Umgangs. Diese Form des Umgangs ist in § 1684 Abs. 4 S. 3 BGB geschaffen worden als Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für das Kind. Dabei ist vor allem daran gedacht worden, das Kind vor möglichen bzw. vom betreuenden Elternteil befürchteten Übergriffen des Umgangsberechtigten zu schützen und hierdurch einen ansonsten notwendigen Ausschluss des Umgangs zu vermeiden. Eine ähnliche, wenn auch nicht so schwerwiegende Situation ist gegeben, wenn der betreuende Elternteil nicht bereit ist, dem anderen Elternteil das für diesen bis dahin fremde Kind im Säuglings- oder Kleinkindalter zu Umgangskontakten zu überlassen und hierdurch Umgangskontakte blockiert. Dieser Konflikt von Kindeswohl und Elternrecht kann nur durch die Mitwirkung eines Dritten beim Umgang gelöst werden. Dies ist unproblematisch, soweit hierfür eine mit dem Kind vertraute und zur Mitwirkung geeignete Person (z.B. aus dem Kreis der Verwandten oder Freunde) gefunden werden kann, die außerdem zur Mitwirkung bereit ist. In diesem Fall bleibt die Mitwirkung der Mutter auf die Herausgabe d...