Oft wird die Formulierung gebraucht, dass die Abänderbarkeit eines gerichtlichen Vergleichs und einer vollstreckbaren Urkunde, d.h. nichtrechtskraftfähiger Titel, sich allein nach dem materiellen Recht richte. Dies ist ungenau; denn ein nichtrechtskraftfähiger Titel ist nicht lediglich ein Rechtsgeschäft, das dem materiellen Recht mit dem Grundsatz der Privatautonomie unterliegt, sondern auch ein unter den Bedingungen des zwingenden öffentlichen Rechts errichteter Vollstreckungstitel, über den der Einzelne nicht frei verfügen kann. Vielmehr kann dieser nur unter Einhaltung der Vorschriften des Verfahrensrechts abgeändert werden. Der Verfahrensweg des Abänderungsantrags ist für die Abänderung einer Entscheidung nach § 238 ZPO und für die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs nach § 239 FamFG grundsätzlich derselbe – siehe die Verweisung in § 323 Abs. 4 ZPO a.F. auf die vorstehenden Vorschriften –, auch wenn bei der entsprechenden Anwendung die mit der Rechtskraft einer Entscheidung zusammenhängenden Bestimmungen bei Vergleichen und vollstreckbaren Urkunden, etwa zur Präklusion, nicht heranzuziehen sind. Nur die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Abänderung nichtrechtskraftfähiger Titel richten sich, wie es in § 239 Abs. 2 FamFG heißt, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Gleiches gilt für den Vollstreckungsgegenantrag, für den in § 795 ZPO auf § 767 ZPO verwiesen wird. Der Schuldner kann deswegen nicht etwa eine Jugendamtsurkunde abändern, indem er eine neue errichtet, sondern er muss im Wege eines Abänderungsantrags nach § 239 FamFG vorgehen. Bei einem Vergleich können die Parteien zwar materiell wirksam die Unterhaltsverpflichtung durch einfache Vereinbarung erhöhen. Wegen des Mehrbetrags kann der Gläubiger jedoch nur vollstrecken, wenn auch insoweit ein Vergleich vor einem Gericht oder einem Notar in der in § 794 ZPO vorgeschriebenen Form geschlossen oder der frühere Vergleich durch eine Entscheidung nach § 239 FamFG abgeändert wurde. Die Parteien können die titulierte Forderung nicht auswechseln, indem sie sich etwa außergerichtlich einig sind, dass aus einem gerichtlichen Vergleich über Trennungsunterhalt nunmehr wegen nachehelichen Unterhalts vollstreckt werden kann. Sie können zwar vereinbaren, dass der Gläubiger auf die Rechte aus dem Vollstreckungstitel verzichtet, aber diesen nicht durch eine bloße Abrede beseitigen.
Von den oben zur Abänderung einer Entscheidung genannten formellen Voraussetzungen sind für die Abänderung nichtrechtskraftfähiger Titel namentlich zu beachten: Auch ein Abänderungsantrag nach § 239 FamFG ist nur zulässig, wenn der gesamte Unterhaltsanspruch tituliert ist. Bei Teiltitulierung ist ein Zusatzantrag nach § 258 ZPO zu stellen. Auch bei nichtrechtskraftfähigen Unterhaltstiteln gilt die Vermutung, dass diese den gesamten Unterhaltsanspruch erfassen. Die Kriterien für die Abgrenzung von Abänderungsgründen i.S.v. § 238 FamFG und Einwendungen i.S.v. § 767 ZPO sind auch für die Abgrenzung der Abänderungsgründe nach § 239 FamFG i.V.m. dem materiellen Recht (§ 313 BGB) und Einwendungen gegen die Vollstreckung nach §§ 795, 767 ZPO maßgebend. Auch bei nichtrechtskraftfähigen Titeln ist der zutreffende Rechtsbehelf durch das zwingende Verfahrensrecht vorgegeben. Die Beteiligten sind jedoch insoweit freier bei den Vereinbarungen über deren Abänderung als bei Abreden über die Abänderung gerichtlicher Entscheidungen, bei denen die nicht ihrer Disposition unterliegende Rechtskraft es etwa ausschließt, die diese sichernden Voraussetzungen nach § 238 FamFG zu erleichtern.
Autor: Dr. Hans-Ulrich Graba , Vors. Richter am OLG a.D., Augsburg/Neusäß
FF 11/2015, S. 445 - 449