Gewährung existenzsichernder Leistungen
Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit für die Gewährung existenzsichernder Leistungen (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) kann grundsätzlich unabhängig von einem Unterhaltsanspruch das Einkommen und Vermögen von Personen berücksichtigt werden, von denen in der familiären Gemeinschaft zumutbar zu erwarten ist, dass sie tatsächlich füreinander einstehen und "aus einem Topf" wirtschaften (BVerfG, Beschl. v. 27.7.2016 – 1 BvR 371/11).
Ehevermögensrecht
a) Bei intakter Ehe scheidet ein Gesamtschuldnerausgleich zugunsten des allein verdienenden Ehegatten für Verbindlichkeiten jeder Art gegen den mit der Haushaltsführung betrauten Ehegatten aus. Dies ändert sich mit dem Scheitern der Ehe. b) Eine anderweitige Bestimmung i.S.v. § 426 Abs. 1 BGB kann darin liegen, dass ein Ehegatte wegen der Rückzahlung der Darlehen eigene Unterhaltsansprüche gegen den zahlenden Ehegatten – ausdrücklich oder konkludent – nicht geltend macht. c) Für die Annahme einer konkludenten anderweitigen Bestimmung bedarf es jedoch der Darlegung, dass solche Unterhaltsansprüche, und zwar ohne die Berücksichtigung der die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten mindernden Schuldentilgung, überhaupt bestanden haben. Die Darlegungs- und Beweislast hat dabei derjenige Ehegatte, der eine vom Halbteilungsgrundsatz abweichende Verteilung verlangt, also weniger als die Hälfte der Verbindlichkeiten tragen will. (OLG Hamm, Beschl. v. 18.3.2016 –2 WF 41/16, FamRZ 2016, 1369)
Versorgungsausgleich
- a) Der Umstand, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte in der Ehezeit sich nur höchst unzureichend am Familienunterhalt beteiligt und fast keine eigene Altersvorsorge betrieben hat, rechtfertigt die Anwendung des § 27 VersAusglG nicht, wenn aufgrund der unterschiedlichen schulischen und beruflichen Entwicklung schon bei Eingehung der Ehe damit zu rechnen war bzw. die Ehe trotzdem fortgeführt wurde, zumal unterschiedlich hohe Beiträge zum Familienunterhalt in einer Ehe durchaus üblich sind. b) Eine langjährige ehewidrige Beziehung rechtfertigt für sich betrachtet die Anwendung des § 27 VersAusglG nicht. c) Haben die gemeinsamen Vorstellungen zur ehelichen Lebensführung zu einem bestimmten Zeitpunkt eine wesentliche Veränderung erfahren und verstößt ein Ehegatte gravierend gegen die insoweit getroffenen Absprachen, kann dies zum Teilausschluss des Versorgungsausgleichs ab dieser Zeit führen. (OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.7.2016 – 9 UF 120/15)
- Bei der Bewertung eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 262 Abs. 1 SGB VI sind nach dem Beginn des Bezugs einer Vollrente wegen Alters auch solche Werterhöhungen für Beitragszeiten zu berücksichtigen, die sich infolge einer nachträglich vorgenommenen Mindestbewertung von Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben (BGH, Beschl. v. 22.6.2016 – XII ZB 350/15).
Abstammung
a) Begehrt ein Samenspender die Feststellung seiner Vaterschaft für einen im Ausland extrakorporal aufbewahrten Embryo, so bestimmt sich das anzuwendende Recht allein entsprechend Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach dem Personalstatut des Samenspenders. b) Vor der Geburt des Kindes ist nach deutschem Recht eine Vaterschaftsfeststellung ebenso wenig möglich wie die Zuerkennung eines vergleichbaren rechtlichen Status. (BGH, Beschl. v. 24.8.2016 – XII ZB 351/15)
Sorge- und Umgangsrecht
- a) Zu den Voraussetzungen einer Trennung des Kindes von den Eltern wegen erzieherischer Defizite der Eltern. b) Das Umgangsbestimmungsrecht ist selbstständiger Teil der Personensorge, der im Fall der Kindeswohlgefährdung gesondert entzogen werden kann. Bei einem Konflikt unter den Eltern sind eine gerichtliche Umgangsregelung und die Bestimmung eines Umgangspflegers als mildere Mittel stets vorrangig. c) Das Verbot der reformatio in peius gilt in Beschwerdeverfahren über eine (teilweise) Sorgerechtsentziehung nur eingeschränkt und schließt nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten eine im Sinne des Kindeswohls gebotene Entziehung weiterer elterlicher Sorgebefugnisse auch dann nicht aus, wenn nur die Eltern Beschwerde eingelegt haben. (BGH, Beschluss v. 6.7.2016 – XII ZB 47/15)
- a) Eine Einschränkung des Umgangsrechts gemäß § 1684 Abs. 3 und 4 BGB ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren. b) Werden die Umstände des Einzelfalles vom erstinstanzlichen Gericht nur unzureichend aufgeklärt, liegt ein Verfahrensmangel i.S.d. § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG vor, der zu einer Aufhebung und Zurückverweisung der Sache führen kann. c) Angesichts der in Verfahren nach § 1684 Abs. 4 BGB strengen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäbe hätte das Amtsgericht hier erneut ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten einholen müssen, bevor es einen Umgangsausschluss anordnet. (OLG Bremen, Beschl. v. 5.8.2016 – 4 UF 49/16)
- a) Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfällt die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen, unter den gegenwärtigen dortigen Ver...