Sind diese Voraussetzungen erfüllt und wurde deshalb eine Umgangsregelung in Form des Wechselmodells angeordnet, stellt sich die Frage nach der Umsetzung dieses Modells. Dabei können Probleme auftreten, weil der Gesetzgeber bewusst keine Regelungen hierzu vorgesehen hat. Trotzdem fasst sich der Senat kurz und erklärt:
Zitat
"Die sich aus der umgangsrechtlichen Anordnung des Wechselmodells ergebenden sorgerechtlichen Folgen lassen sich wie bei einem von den Eltern vereinbarten Wechselmodell und bei Umgangsregelungen im allgemeinen § 1687 BGB entnehmen. Differenzen der Eltern in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung können im Wege der Anordnung nach § 1628 BGB beseitigt werden." (Rn 21)
Freilich passt § 1687 BGB nicht, denn er ist auf das Residenzmodell zugeschnitten, indem er zwischen einem Elternteil, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Abs. 1 Sätze 2 und 3), und einem umgangsberechtigten Elternteil (Abs. 1 Satz 4) unterscheidet.
1. Möglichkeiten einer korrigierenden Anwendung des § 1687 BGB
§ 1687 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB geben dem Elternteil, bei dem sich das Kind aufgrund der gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens; das sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Ent wicklung des Kindes haben. Wird ein Wechselmodell angeordnet, so könnte man annehmen, das Kind habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Dann sind § 1687 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB infolgedessen unanwendbar und es bleiben lediglich § 1687 Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 BGB. Als Mechanismus zur Auslösung von Kompetenzkonflikten zwischen den Eltern bliebe somit § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB: Alle Alltagsangelegenheiten würden zu Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind und damit übrigens auch elterlichen Anträgen nach § 1628 BGB zugänglich. Die Pflege und Erziehung des Kindes durch den jeweils zuständigen Elternteil wäre infolgedessen unmöglich, so man nicht wechselseitige konkludente Bevollmächtigungen und Übertragungen von Entscheidungsbefugnissen unterstellen möchte; hierbei ist allerdings Zurückhaltung geboten, weil die Gefahr besteht, den Beteiligten schlicht den rechtsgeschäftlichen Willen zu unterstellen, den sie zur Beseitigung von Schwächen des nicht auf ein Leben im Wechselmodell ausgelegten § 1687 BGB idealerweise haben sollten.
Man kann freilich auch davon ausgehen, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei beiden Elternteilen habe, so dass hiernach der jeweilige Elternteil während der Zeit des Aufenthalts des Kindes bei ihm die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens hat. Gerade hier können Schwierigkeiten auftreten, denn eigentlich sind es gerade auch die immer wiederkehrenden Angelegenheiten des täglichen Lebens, welche das Leben eines Kindes prägen. Wie legt das Kind seinen Weg in eine Erziehungseinrichtung zurück? Wie lange hält es sich dort auf? Welche Mahlzeiten werden wo eingenommen? Wie und wann werden ggf. Hausaufgaben erledigt? Wie ist die Freizeitgestaltung? Wie der Umgang mit Fernsehen oder Neuen Medien? Wann ist Bettruhe? Lebt ein Kind im Residenzmodell, gibt es einen prägenden Lebens- und Erziehungsstil, lebt es im Wechselmodell, so werden es leicht zwei möglicherweise immer stärker differierende Stile, und gerade der Alltag ist es, der "erhebliche Bedeutung" genießt. Derlei ist dem Kindeswohl nicht zuträglich, vielmehr bedarf es verbindlicher und dann auch in der Alltagspraxis umgesetzter Absprachen zwischen den beiden Eltern des Kindes zu derlei Fragen. Woraus aber ergibt sich derlei?
Möglicherweise gewinnt dann § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB in Wechselmodellfällen erhöhte Bedeutung. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB regelt, dass bei "Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist" ein "gegenseitiges Einvernehmen" der Eltern erforderlich ist. Die wechselseitige Betreuung und Erziehung erfordert – wie oben ausgeführt – einen erhöhten Abstimmungsbedarf, so dass der Bereich der Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung breiter zu fassen ist als beim Residenzmodell, um Unzuträglichkeiten zu vermeiden, die sich aus einander widersprechenden Entscheidungen ergeben können. Angesprochen sind hier vor allem zwar eher untergeordnete, aber dauerhafte Angelegenheiten wie eine dauerhafte ärztliche oder physiotherapeutische Behandlung einer nicht schwerwiegenden Erkrankung oder Freizeitaktivitäten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, aber eben auch Fragen der Lebensgestaltung. Es verbleibt damit für beide Eltern letztlich nur eine Alleinentscheidungskompetenz nach Maßgabe des § 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB, wie sie für den umgangsberechtigten Elternteil im Residenzmodell besteht: die "Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung". Das erscheint nur folgerichtig, denn wenn die Eltern mit ihrem Kind in einer intakten Familie zusammenleben, besteht eine vergleichbare Situation: Auch dann darf ein Elternteil nic...