Die Frage ist in der Rechtswissenschaft bislang nur sehr vereinzelt intensiver thematisiert worden, obwohl sie erheblichen Konfliktstoff, vor allem zum Thema Schwangerschaftsabbruch, birgt. So gibt es die Sorge, die Einbeziehung ungeborener Kinder in das Vorhaben "Kindergrundrechte" könne zulasten des Selbstbestimmungsrechts schwangerer Frauen gehen und in der politischen Diskussion jene bestärken, die striktere Regeln zum Schwangerschaftsabbruch befürworten.
Umgekehrt gibt es die Befürchtung, ungeborene Kinder könnten zu "Menschen zweiter Klasse" werden, sollten die im Grundgesetz zu verankernden Kindergrundrechte erst von Geburt an gelten. Jene, die eine Einbeziehung ungeborener Kinder ablehnen, verweisen auf die UN-Kinderrechtskonvention (KRK). Zwar wird in der Präambel auf die – unverbindliche – Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 verwiesen, wonach das Kind "eines angemessenen rechtlichen Schutzes vor und nach der Geburt bedarf". Aufgrund einer einschränkenden Protokollnotiz, auf die bei den Konventionsverhandlungen vor allem auch Deutschland gedrungen hatte, wird aber ganz überwiegend angenommen, dass die Konvention keine völkerrechtlich bindende Verpflichtung zum Schutz des ungeborenen Lebens statuiere, also die dort verankerten Kinderrechte nicht für Ungeborene gelten.
Dieses Verständnis präjudiziert jedoch nicht, dass Kinderrechte, die der deutsche Verfassungsgesetzgeber im Grundgesetz verankert, den Schutz des ungeborenen Lebens ausklammern. Vielmehr ging es bei den Verhandlungen zur KRK gerade darum, den Vertragsparteien in dieser Frage Freiheit zu lassen.
Jene, die für eine Einbeziehung ungeborener Kinder plädieren, berufen sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben besteht. Danach ist der Staat verpflichtet, den Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und den Lebensschutz (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) von Ungeborenen sicherzustellen.
Ungeborene Kinder sind also nach aktueller Verfassungsrechtslage Grundrechtsträger, soweit es um den Lebens- und Würdeschutz geht. Sollten die explizit verankerten Kindergrundrechte nur von Geburt an gelten, so die Sorge, könnte dies Zweifel wecken, dass der Verfassungsgesetzgeber den vom Bundesverfassungsgericht entfalteten Grundrechtsschutz zugunsten des ungeborenen Lebens beibehalten wolle. Inwieweit diese Bedenken gerechtfertigt sind, wird sich bei den Gesetzesberatungen zeigen.
Um zu verhindern, dass der Schutz des ungeborenen Lebens durch die Ausbuchstabierung von Kindergrundrechten geschwächt wird, wäre an eine Klausel zu denken, die lauten könnte
Zitat
"Die staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben bleibt unberührt."
Der Streit darüber, ob die Geburt als Zäsur beim Grundrechtsschutz anzuerkennen ist, wäre damit zwar nicht gelöst, aber entschärft.
Kurz und knapp: Wenn der Verfassungsgesetzgeber eine explizite Regelung zu Kinderrechten trifft, bedeutet das für sich genommen weder die automatische Einbeziehung noch den automatischen Ausschluss ungeborener Kinder. Soweit in den Verhandlungen zur Aufnahme von Kindergrundrechten nichts anderes vereinbart wird und solange das Bundesverfassungsgericht an seiner Rechtsprechung zu den staatlichen Schutzpflichten für das ungeborene Leben festhält, gilt, dass Ungeborene am Lebensschutz und am Würdeschutz teilhaben.