Pränatale Vaterschaftstests sind, ausgenommen bei einem Sexualdelikt nach den § 176 – 179 StGB, das zur Schwangerschaft führte, unzulässig (§ 17 Abs. 6 GenDG). Damit soll verhindert werden, dass die Frage der Abstammung, aber auch andere in diesem Zusammenhang ermittelte Kriterien. Einfluss auf die Entscheidung eines etwaigen Abbruchs der Schwangerschaft haben können. Die FDP möchte nunmehr einen vorgeburtlichen Vaterschaftstest zulassen, um die Ungewissheit zu beseitigen, in der die schwangere Frau und potentiell in Frage kommende Väter sowie die jeweiligen Angehörigen in der Zeit zwischen Bekanntwerden der Schwangerschaft und der Geburt leben, obwohl die Vaterschaft heutzutage mittels nichtinvasiver Diagnostik risikolos geklärt werden kann. Betroffen sind freilich nur Konstellationen, in denen "mehr als ein Mann als Vater in Betracht kommt". Dies kann nur bei Geschlechtsverkehr mit mehreren männlichen Partnern trotz des Risikos der Schwangerschaft oder bei mehreren privaten Samenspendern (sog. Samencocktail) der Fall sein. In derartigen (wohl nicht allzu häufigen) Konstellationen soll dem tatsächlichen Vater sowie dessen Angehörigen die emotional unbeschwerte Teilhabe an der Schwangerschaft zumindest erschwert sein. Allerdings dürfte dies, was die Gesetzesbegründung übersieht, für die Schwangere und deren männlichen Partner möglicherweise ähnlich sein.
Die neuen Bluttests, die die kindlichen DNA-Schnipsel im Blut der Mutter mittels Next-Generation-Sequencing (NGS = Bestimmung der Nucleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül) nachweisen, vermeiden die Risiken einer Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasseruntersuchung (Amniocentese), bei der es in 0,5 – 1,0 % der Fälle zum Fruchtblasensprung bzw. zu einer Entzündung und sogar zu einer Fehlgeburt kommen kann. Das Untersuchungsergebnis darf der Schwangeren nach dem Gesetzeswortlaut, und, was der Entwurf übersieht, wohl auch dem potentiellen und dem echten Vater erst nach Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche mitgeteilt werden. Eine Sicherung dieser Verpflichtung sieht der Entwurf nicht vor. Der datenschutzrechtliche Eingriff durch die pränatale Untersuchung in die Rechte des ungeborenen Kindes wird, wenn die betroffenen (künftigen) Eltern und der häufig glückliche "Nicht-Vater" übereinstimmend die Untersuchung wünschen, nicht beachtet. Das (ungeborene) Kind wird damit zum Objekt gemacht, ohne dass seine Rechte auch nur ansatzweise beachtet werden. Die Einstellung "Mein (ungeborenes) Kind gehört mir", und zwar auch zur frühzeitigen Ermittlung der Vaterschaft mit dem Ziel einer künftigen glücklichen Schwangerschaft, ist in Zeiten der Diskussion über Kinderrechte im Grundgesetz anachronistisch. Kinder verdienen im Gegenteil bei ihren personenbezogenen Daten besonderen Schutz, und nicht nur in Bezug auf Dienste der Informationsgesellschaft (Erl. 38 DSGVO). Fraglich ist, wer für das ungeborene Kind die Einwilligung in die Verarbeitung seiner Daten erklären soll; ein Verzicht hierauf ist europarechtlich unzulässig. Das Sorgerecht beginnt erst mit der Geburt. Es hat jedoch Vorwirkungen (§ 1912 Abs. 2 BGB), wobei umstritten ist, inwieweit der (künftige rechtliche) Vater Mitentscheidungsrechte hat. Allerdings werden die (künftigen) Eltern aufgrund ihres Interesses die Zustimmung für das Kind stets erteilen, sodass eine objektive Beurteilung der Rechte und Wünsche des Kindes nicht erfolgt. Der Datenschutz für das Kind läuft faktisch leer. Besonders gefährlich ist dies, weil der Entwurf auch nicht ansatzweise sicherstellt, dass die gewonnen Daten nicht zweckwidrig verwendet werden, insbesondere sie nicht vor der zwölften Schwangerschaftswoche offenbart werden. Das neu erfundene (liberale) Recht auf unbeschwerte Teilhabe an einer Schwangerschaft ist nicht geeignet, in den Sonderkonstellationen des (befürchteten) Mehrverkehrs und des Samenspendercocktails den Eingriff in die Daten des ungeborenen Kindes zu rechtfertigen. Diese werden außer durch ein zeitliches Offenbarungsverbot gegenüber der Mutter nicht gegen einen Missbrauch geschützt.
Autor: Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Notar in Regen und Zwiesel, Honorarprofessor an der Universität Regensburg
FF 11/2020, S. 428 - 430