1. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung nicht nur den Elternrechten Rechnung tragen; vielmehr steht auch das Verfahrensrecht unter dem Primat des Kindeswohls, dessen Schutz staatliche Eingriffe in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG erst legitimiert.

2. Der Verzicht auf die Kindesanhörung verletzt das aus Art. 6 Abs. 2 GG folgende Gebot, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen, im Sorgerechtsverfahren nicht, wenn es – beispielsweise wegen eines eingeschränkten Prüfungsgegenstands und auf der Hand liegender Gründe – für die Entscheidung auf die Neigungen, Bindungen oder den Willen des Kindes nicht ankommt.

3. Dient die Anordnung der Ergänzungspflegschaft der Vermeidung einer wegen der Verweigerungshaltung der Mutter ansonsten erforderlichen zwangsweisen Vorführung des Kindes zur Abgabe der Speichelprobe im Abstammungsverfahren, kann sich die Mutter nicht auf Geschehnisse bei einer früheren Vorführung berufen.

(Leitsätze der Redaktion)

BVerfG, Nichtannahmebeschl. der 1. Kammer des Ersten Senats v. 20.8.2020 – 1 BvR 886/20 (OLG Hamm, AG Iserlohn)

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