Rechtsanwalt Bergquist war als Nachlassverwalter mehrfach im schwedisch-deutschen Verfahren tätig. Er stellt, ausgehend von dem Mahnkopf-Fall drei Beispiele vor, um die Problematik weiter zu erörtern.

Die Voraussetzungen der Beispiele sind folgende:

Herr A und Frau B sind beide deutsche Staatsangehörige. Die Eheleute sind seit 1970 verheiratet und haben ein gemeinsames Kind C. Herr A ist verstorben. Er hatte kein Testament und die Eheleute hatten keinen Ehevertrag. Herr A hatte bei seinem Tod ein Nettovermögen auf 100.000 EUR. Frau B hat kein Vermögen.

1. Beispiel 1

Die Eheleute hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und ihr gesamtes Vermögen dort. Das heißt, dass die Sache völlig intern deutsch ist. B erbt die Hälfte (ein Viertel nach § 1931 Abs. 1 BGB und weiter ein Viertel nach § 1371 Abs. 1 BGB) von A’s Vermögen, das heißt total 50.000 EUR. Die andere Hälfte erbt das Kind C. Es findet keine besondere güterrechtliche Teilung statt.

Die deutschen Regeln in § 1931 Abs. 1 BGB und § 1371 Abs. 1 BGB haben zu großen Anwendungsproblemen geführt, wenn die Eheleute Anknüpfung zu Schweden gehabt haben, und deswegen diese deutschen Regeln mit schwedischen Güterrechtsregeln kombiniert werden sollen.

2. Beispiel 2

Die Voraussetzungen werden im Vergleich zu Beispiel 1 so geändert, dass die Eheleute seit mehr als zwei Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden hatten, und dass alles Vermögen sich in Schweden befand. Die Schwedische Gerichtsbarkeit ist zuständig. Der Mann ist im Jahr 2014 verstorben, das heißt vor Inkrafttreten der EUErbVO. Nach § 4 LIMF (das schwedische internationale Güterrechtsgesetz) ist schwedisches Güterrecht anwendbar (gewöhnliches Aufenthaltsprinzip). Nach § 1 Kap. 1 IDL (das schwedische internationale Erbrechtsgesetz) ist deutsches Erbrecht anwendbar (Staatsangehörigkeitsprinzip). Frau B bekommt erst die Hälfte (50.000 EUR) als Güterteilungsteil nach der schwedischen Güterteilungsregel in § 11 Kap. 3 ÄktB (das schwedische Ehegesetz). Aus der Erbschaft (der Restbetrag nach der Güterteilung) auf 50.000 EUR soll Frau B nach § 1931 Abs. 1 BGB ein Viertel (12.500 EUR) bekommen.

Es stellt sich die Frage, ob sie noch ein Viertel aus der Erbschaft nach § 1371 Abs. 1 BGB bekommen soll. Der Zweck dieser Regel ist doch, der Nachlebenden eine pauschale Zuteilung statt einer berechneten Güterrechtsteilung zu verleihen.

In diesem Fall hat zwar eine Güterrechtszuteilung zu der nachlebenden Witwe nach schwedischem Recht schon stattgefunden. Als vom Gericht verordneten Nachlassverwalter habe ich mehrere Male über einen solchen Fall entscheiden müssen. Ich habe dann, unter Beachtung des Zwecks des § 1371 Abs. 1 BGB und um "Doppeltkompensation" zu vermeiden, eine Anpassung auf diese Weise durchgeführt, dass ich auf die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB verzichtet habe. Das Kind C hat folglich einen Erbteil von 37.500 EUR bekommen. Anzumerken ist, dass Frau B, obwohl ich auf die Anwendung der Regel des § 1371 Abs. 1 BGB verzichtet habe, viel mehr, nämlich 62.500 EUR, als im deutschen Fall im Beispiel 1 bekommen hat.

Meine Entscheidungen sind in diesen Fällen immer von den Erben genehmigt worden. Deswegen war keine Prüfung beim Amtsgericht erforderlich, was innerhalb von vier Wochen nach Zustellung meiner Entscheidung möglich gewesen wäre.

3. Beispiel 3

Hier liegen zwei andere Voraussetzungen wie im Beispiel 2 vor.

Der Mann ist im Jahr 2020 verstorben. Er hat nach Art. 22.1 EUErbVO deutsches Erbrecht gewählt. Jetzt muss auch die Mahnkopf-Entscheidung beachtet werden. Nach Art. 69.3 EU-EhegüterrechtsVO ist schwedisches IPR anwendbar, da die Eheleute vor 29.1.2019 geheiratet hatten. Nach denselben Güterrechtsregeln wie im Beispiel 2 (§ 4 LIMF und § 11 Kap. 3 ÄktB) bekommt Frau B 50.000 EUR bei der Güterteilung. Aus der Erbschaft bekommt sie 12.500 EUR nach § 1931 Abs. 1 BGB und weiter 12.500 EUR nach § 1371 Abs. 1 BGB, insgesamt 75.000 EUR.

4. Vergleich der Ergebnisse

Frau B erhält im:

Beispiel 1: 50.000 EUR

Beispiel 2: 62.500 EUR

Beispiel 3: 75.000 EUR

4. Fazit

Nach meiner Meinung wäre es nach der Mahnkopf-Entscheidung (die ich an sich richtig finde) schwer, eine solche Anpassung wie im Beispiel 2 durchzuführen, und Frau B den Erbteil nach § 1371 Abs. 1 BGB anzuerkennen, da das EuGH diese Regel als eine Erbrechtsregel qualifiziert hat.[3]

Autor: Ulf Bergquist, Rechtsanwalt, Stockholm

FF 11/2021, S. 440 - 442

[3] Vgl. den Aufsatz des Autors in der schwedischen-juristischen Zeitschrift Svensk Juristtidning 9/18 S. 787–797 und das Editorial in diesem Heft von Balomatis "Europäisierung des Familienrechts – Wie der EuGH das deutsche Güterrecht auf den Kopf stellt."

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