Einführung
Anm. der Red.:
Der nachfolgende Aufsatz des schwedischen Kollegen Ulf Bergquist setzt voraus, dass die Entscheidung des EuGH vom 1.3.2018 in den Grundzügen angesprochen wird.
I. EUGH, Urt. v. 1.3.2018 – Rs. C-558/16 – Mahnkopf
1. Die Entscheidung
a) Leitsatz
Art. 1 Abs. 1 EuErbVO ist dahin auszulegen, dass eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wonach beim Tod eines Ehegatten ein pauschaler Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten vorzunehmen ist, in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt.
b) Urteil
[1] Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1 und Art. 68 lit. 1 EuErbVO […].
[2] Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens über einen von Frau Doris Margret Mahnkopf nach dem Tod ihres Ehemannes gestellten Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses über die diesen betreffende Erbsache.
c) Rechtlicher Rahmen
[…]
d) Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
[20] Am 29.8.2015 verstarb Herr Mahnkopf. Zum Zeitpunkt seines Todes war er mit Frau Mahnkopf verheiratet. Beide Ehegatten besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin. Die einzigen Erben des Verstorbenen, der keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hatte, waren dessen Ehefrau und der gemeinsame Sohn des Paares.
[21] Die Ehegatten lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und hatten keinen Ehevertrag geschlossen. Zum Nachlass des Verstorbenen gehört neben Vermögenswerten in Deutschland auch ein hälftiger Miteigentumsanteil an einem Grundstück in Schweden.
[22] Auf Antrag von Frau Mahnkopf erteilte das für die Herrn Mahnkopf betreffende Erbsache zuständige AG Schöneberg (Deutschland) am 30.5.2016 einen nationalen Erbschein, wonach die ihn überlebende Ehefrau und der Abkömmling den Erblasser aufgrund der nach deutschem Recht geltenden gesetzlichen Erbfolge den Erblasser jeweils zur Hälfte beerbten. Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich der der Ehegattin zugesprochene Erbteil aus der Anwendung des § 1931 Abs. 1 BGB ergebe, wonach der dem überlebenden Ehegatten zustehende gesetzliche Erbteil von einem Viertel um ein Viertel erhöht wird, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach § 1371 Abs. 1 BGB gelebt haben.
[23] Am 16.6.2016 beantragte Frau Mahnkopf bei einem Notar auch die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses nach der EuErbVO, in dem nach der gesetzlichen Erbfolge des nationalen Rechts ebenfalls sie und ihr Sohn als Miterben je zur Hälfte ausgewiesen sein sollten. Dieses Nachlasszeugnis wollte sie für die Umschreibung ihrer Eigentümerstellung an dem in Schweden gelegenen Grundstück verwenden. Der Notar legte Frau Mahnkopfs Antrag dem AG Schöneberg vor.
[24] Dieses wies den Antrag auf Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses mit der Begründung zurück, dass das Erbteil der Ehegattin des Verstorbenen, was ein Viertel angehe, auf erbrechtlichen Bestimmungen beruhe und, was ein anderes Viertel des Nachlasses betreffe, auf der güterrechtlichen Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB. Die Vorschrift, aufgrund deren dieses zuletzt genannte Viertel zugesprochen worden sei, gehöre jedoch zum ehelichen Güterrecht und nicht zum Erbrecht. Sie falle daher nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO.
[25] Frau Mahnkopf legte gegen diese Entscheidung Beschwerde beim Kammergericht (Berlin, Deutschland) ein. Darin hält sie an ihrem ursprünglichen Antrag fest; hilfsweise beantragt sie die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, in dem zu informatorischen Zwecken darauf hingewiesen wird, dass ihre erbrechtlichen Ansprüche, soweit sie ein Viertel des Nachlasses betreffen, auf der Zugewinngemeinschaft beruhen.
[26] Das vorlegende Gericht führt aus, dass in der deutschen Literatur streitig sei, ob § 1371 Abs. 1 BGB als erbrechtliche oder als güterrechtliche Norm anzusehen sei. Der Zweck des § 1371 Abs. 1 BGB, den Ausgleich des ehelichen Zugewinns nach Beendigung der Gütergemeinschaft herbeizuführen, ende mit dem Tod eines Ehegatten, sodass es sich nicht um eine Rechtsnachfolge "von Todes wegen" i.S.v. Art. 1 Abs. 1 EuErbVO handele. Die in dieser Bestimmung vorgesehen Regelung müsse immer dann angewandt werden, wenn die Ehewirkungen, einschließlich der Fragen des ehelichen Güterrechts, sich nach deutschem Recht richteten. Diese Anwendung sei nicht gewährleistet, wenn man diese Regelung als erbrechtliche Vorschrift ansähe, weil ihr Anwendungsbereich dann auf die Fälle beschränkt wäre, in denen sich die Rechtsnachfolge gemäß den Art. 21 und 22 EuErbVO nach deutschem Erbrecht bestimme.
II. Problematik der Entscheidung
Rechtsanwalt Bergquist war als Nachlassverwalter mehrfach im schwedisch-deutschen Verfahren tätig. Er stellt, ausgehend von dem Mahnkopf-Fall drei Beispiele vor, um die Problematik weiter zu erörtern.
Die Voraussetzungen der Beispiele sind folgende:
Herr A und Frau B sind beide deutsche Staatsangehörige. Die Eheleute sind seit 1970 verheiratet und haben ein geme...