In den vergangenen Jahren ist der Ruf nach einer Verbesserung der Qualität familiengerichtlicher Rechtsprechung immer lauter geworden, die dazu vorgeschlagenen Instrumente sind vielfältig: Die Vermittlung des Familienrechts an den Universitäten ist nach Auffassung wohl aller Beteiligter Grundlage eines gelingenden Einstiegs in ein Familiendezernat – und deswegen ist die stiefmütterliche Behandlung des Fachs in der Juristenausbildung der meisten Bundesländern ein unhaltbarer Zustand.[5] Einige setzen vor allem auf regelmäßige, breit angelegte, freiwillige, von den Landesjustizministerien finanzierte Fortbildung der Richterinnen und Richter.[6] Grundlage dafür, dies für ausreichend zu halten, ist das Vertrauen in eine unbestritten fortbildungsfreudige Richterschaft und in die Bereitschaft der Bundesländer, die Fortbildungsangebote zu erweitern.

Oft wurde gefordert, die angesichts des Richtermangels im Zuge der Wiedervereinigung eingeführte Möglichkeit wieder abzuschaffen, Richter auf Probe mit einem familienrichterlichen Dezernat zu betrauen.[7] Damit könnte man verhindern, dass sehr unerfahrene Richter(innen) tätig werden, die außerdem mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nur äußerst kurz mit Familiensachen befasst sind, weil sie während der Probezeit noch auf andere Einsatzgebiete oder an andere Gerichte rotieren müssen. Der Vorschlag, in den besonders grundrechtssensiblen Kindschaftssachen bereits erstinstanzlich mit drei Berufsrichtern besetzte Kammern einzuführen, würde nicht nur ein Sechs-Augen-Prinzip herstellen, das die Vielschichtigkeit der betroffenen (Rechts-)Probleme besser bewerten kann, sondern außerdem sicherstellen, dass mit dem/der Vorsitzenden wenigstens eine in Familiensachen erfahrene Person mitentscheidet.[8] Nicht zuletzt wird die Idee diskutiert, durch die Schaffung einer eigenen Familiengerichtsbarkeit die Bildung gemischter Dezernate zu verhindern. Damit könnten auch Fortbildungsfrüchte und personellen Kontinuitäten erhalten und damit einen hohen, der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ähnelnden Professionalisierungsgrad der Familienrichterschaft bewirkt werden.[9]

Das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt beschränkt sich in Anbetracht dieser Forderungen auf einen Minimalkatalog von strukturellen Verbesserungen, der fiskalisch besonders belastende personelle Maßnahmen weitgehend meidet. Weder wird flächendeckend eine verbindliche Fortbildungspflicht für Familienrichter(innen) eingeführt, noch das bis 1991 im Gerichtsverfassungsgesetz festgeschriebene Verbot endlich wieder eingeführt, Proberichter(innen) in Familiensachen einzusetzen. Mit der Einführung einer echten Fachgerichtsbarkeit war angesichts der Strukturen in der ordentlichen Justiz vielleicht kaum zu rechnen,[10] aber dass auch die Forderung nach einer Kammerbesetzung in Kindschaftssachen sich im Gesetz ausschließlich in der zweiten Instanz durchgesetzt hat, ist nur mit den Personalnöten der Amtsgerichte zu erklären, die eine solche Vervielfältigung ihrer Aufgaben nur durch eine kräftige Personalaufstockung hätten bewerkstelligen können.

Wie also will nun das Gesetz die Qualität der Familiengerichte verbessern? Durch eine Neufassung des § 23b Abs. 3 GVG wird eine besondere Qualifikation der Richterinnen und Richter in Familiensachen eingeführt. Danach sollen "Richter in Familiensachen über belegbare Kenntnisse auf den Gebieten des Familienrechts, insbesondere des Kindschaftsrechts, des Familienverfahrensrechts und der für das Verfahren in Familiensachen notwendigen Teile des Kinder- und Jugendhilferechts sowie über belegbare Grundkenntnisse der Psychologie, insbesondere der Entwicklungspsychologie des Kindes, und der Kommunikation mit Kindern verfügen." Nach § 119 Abs. 2 GVG gilt dieses Anforderungsprofil auch für die Familiensenate der Oberlandesgerichte. Die Besetzung von Stellen in Familiensenaten mit Richterinnen oder Richtern, die erstinstanzlich noch nie mit Familiensachen befasst waren, ist jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen.

Weil gem. § 23b Abs. 3 S. 2 FamFG Richterinnen und Richtern im ersten Jahr ihrer Verwendung gerade keine Familiensachen zugewiesen werden dürfen, sind ab dem 1.1.2022 die Dezernate ohnehin vollständig aus dem festen Personalbestand der Amtsgerichte zu besetzen. Deswegen ist die Einschränkung nach § 23b Abs. 3 S. 3 GVG besonders wichtig. Danach dürfen einem Richter, dessen Kenntnisse (noch) nicht belegt sind, die Aufgaben eines Familienrichters nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb der Kenntnisse "innerhalb von sechs Monaten zu erwarten ist". Hier sollen vor allem flankierende Fortbildungen ausreichen. Das Gesetz bleibt damit hinter den Erwartungen zurück, die etwa in der Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstages formuliert waren[11] – es wird auch künftig Familienrichter in erster und zweiter Instanz geben, die in der Anfangsphase der Dezernatsübernahme gerade nicht über diese an sich unentbehrlichen Kenntnisse verfügen.

Dieser Teil des Gesetzes tritt erst am 1...

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