Die für gute Ergebnisse elementare Anhörung von Kindern muss künftig häufiger stattfinden. Ein Kind ist nicht Objekt elterlicher Interessen oder staatlicher Schutzzwecke, sondern muss als Subjekt mit eigenen Grundrechten angemessen im Verfahren beteiligt werden. Diesen Grundsatz will der Gesetzgeber stärken, wenn nun die Anhörungsrechte des Kindes ganz erheblich ausgeweitet und – wie schon in Betreuungsverfahren – um durch Pflicht ergänzt werden, dass das Gericht sich einen persönlichen Eindruck verschafft. § 159 FamFG ist dahin abgeändert, dass es in Verfahren des Kinderschutzes (§§ 1666, 1666a BGB) bis auf wenige Ausnahmen notwendig ist, das Kind persönlich anzuhören oder – wenn dies angesichts des Alters bzw. der Verstandesreife des Kindes nicht durch ein Gespräch möglich ist – sich einen persönlichen Eindruck vom Kind zu verschaffen. Die Differenzierung zwischen Kindern unter 14 Jahren und älteren Kindern entfällt ersatzlos.
Die neue Fassung des § 159 Abs. 2 S. 2 FamFG untersagt es im Ergebnis den Familiengerichten, in Kinderschutzverfahren nach §§ 1666, 1666a BGB, von der Anhörung eines Kindes gleich welchen Alters abzusehen. Auf die Neigungen und Bindungen des Kindes kommt es nach Auffassung des Gesetzgebers in diesen Verfahren immer an, sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu machen entspricht daher der Amtsermittlungspflicht. Eine Ausnahme kann nur dann angenommen werden, wenn das Familiengericht einen schwerwiegenden Grund dafür erkennt, von der Anhörung absehen zu müssen. Welche schwerwiegenden Gründe dies sein sollen, kann eingeschränkt aus der bisherigen Literatur und Rechtsprechung zu § 159 Abs. 3 S. 1 FamFG a.F. abgelesen werden. Hier war Konsens, dass ein schwerwiegender Grund zu bejahen ist, wenn triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe vorliegen, vor allem wenn durch die Anhörung eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Gesundheitszustands des Kindes zu besorgen ist. Als schwerwiegenden Grund nennt die Gesetzesbegründung selbst nur noch Gefahr im Verzug (wobei die Anhörung hier nachzuholen ist, § 159 Abs. 3 S. 2 FamFG), sowie die Fälle, in denen die Anhörung selbst für das Kind eine Gefährdung darstellt, weil die damit verbundenen – psychischen – Belastungen überwiegen. Grundlage für die Erweiterung der Anhörungspflichten ist hier auch die Erkenntnis, dass Kinder durch Anhörungen in der Regel nicht sehr stark belastet werden – und dass der Verzicht auf Kindesanhörungen häufiger auf richterliche Bedürfnisse als auf Kinder Rücksicht nimmt. Das Familiengericht – oder ein Familiensenat, für den diese Anhörungspflichten nunmehr auch immer gelten (§ 68 Abs. 5 FamFG) – muss in einer Endentscheidung nach § 159 Abs. 3 FamFG begründen, wenn schwerwiegende Gründe die Anhörung des Kindes unmöglich gemacht haben.
Die vom Bundesrat vorgebrachten Einwände gegen diese enorme Personalressourcen bindende Vorgabe beruhen auf dem aus der Praxis bestätigten Eindruck, dass sich – auch ohne Anhörung des Kindes – im Anhörungstermin mit den Eltern der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung oft zerstreuen lässt. Das lässt sich der Gesetzgeber nun nicht mehr gelten und nimmt an dass sich aus dem persönlichen Eindruck vom Kind für die Entscheidung wichtige Aspekte ergeben können. Der Nachhall des Staufener Missbrauchsfalls, in dem der zu Beginn der Taten etwa 7-jährige Sohn der Täterin zu keinem Zeitpunkt des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens Gelegenheit hatte, mit einem Richter oder auch nur dem Verfahrensbeistand zu sprechen, rechtfertigt nach Auffassung des Gesetzgebers den generellen Verdacht, Familiengerichte suchten zu selten das persönliche Gespräch mit dem Kind.
Die Neuregelungen zur Kindesanhörung werden – insoweit anders als der Gesetzgeber annimmt – zu einer erheblichen zeitlichen Mehrbelastung sämtlicher Verfahrensbeteiligter führen und auch die Geschäftsstellen belasten. Es wird – gerade bei Kleinstkindern – nicht möglich sein, diese direkt im Zusammenhang mit dem Anhörungstermin mit den Eltern anzuhören, weil völlig unklar ist, wer diese Kinder während der Anhörung der Eltern beaufsichtigen soll. Sind Kinder vom Jugendamt bereits fremduntergebracht, werden die Mitarbeitenden der Inobhutnahmestellen die Kinder bringen müssen. Die Anhörung selbst muss durch den Verfahrensbeistand begleitet werden (§ 159 Abs. 4 S. 3 FamFG), dessen Salär der Gesetzgeber auch nach 12 Jahren nicht gleichzeitig angehoben hat. Die entscheidungserheblichen Erkenntnisse, die aus der persönlichen Inaugenscheinnahme eines Säuglings resultieren können, dürften in der Regel äußerst bescheiden sein. Bei in Obhut genommenen Kleinstkindern kann der Pflegezustand durch simple hygienische Maßnahmen in der Regel bereits durch die Pflegestelle innerhalb weniger Stunden verbessert werden. In dem Zeitpunkt, in dem sich das Familiengericht oder ein Familiensenat einen Eindruck verschaffen kann, sind durch die Inaugenscheinnahme daher kaum entscheidungserhebliche Eindrücke zu gew...