Zu den familienverfahrensrechtlichen Regelungen des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern
Einführung
Der lange Schatten der Verfahrensfehler im Staufener Missbrauchsfall hat die Gesetzgebung erreicht und führt zu einer breit angelegten Qualitätsoffensive für die im Zentrum der Kritik stehenden Familiengerichte. Am 1.7.2021 ist nun das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern in Kraft getreten. Das Gesetz tritt insgesamt mit dem ehrgeizigen Ziel an, den Schutz der Kinder vor sexualisierter Gewalt zu effektivieren und das Verfahrensrecht mehr auf die Bedürfnisse der kindlichen Opfer zuzuschneiden. Während die neugefassten strafrechtlichen Regelungen – vor allem die generelle, ausnahmslose Anhebung der Strafandrohungen auf Verbrechensniveau – im Vorfeld ihres Erlasses auf breite Kritik gestoßen sind, wurden die flankierenden Änderungen im Familienverfahrensrecht kaum näher beleuchtet. In den Stellungnahmen der Fachverbände sind sie gelegentlich als wenig effizient, aber nicht als schädlich angesehen worden. Zuletzt hat Ernst zu Recht konstatiert, dass aus dem verabschiedeten "law in the books" nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller beteiligten Fachdisziplinen "law in action" werden könne. Nach der hier vertretenen Auffassung bedeutet das vor allem, dass der Mehraufwand, den die Umsetzung der verfahrensrechtlichen Regelungen bei den Familiengerichten nach sich ziehen wird, bei der Personalbedarfsplanung der ordentlichen Justiz (Staatsanwaltschaften, Jugend(schöffen)gerichte und Familiengerichte) sowie der Jugendämter zeitnah berücksichtigt werden muss.
Der vorliegende Beitrag stellt die Gesetzesänderungen im familiengerichtlichen Verfahren dar. Familiengerichte sind mit sexualisierter Gewalt an Kindern in Kinderschutzverfahren nach §§ 1666, 1666a BGB befasst oder wenn in Umgangsverfahren nach §§ 1684, 1685 BGB der Kontakt zwischen Täter und Opfer eingeschränkt werden soll. Die Neuregelungen haben auch für Verfahren, in denen es nicht entfernt um (sexualisierte) Gewalt an Kindern geht, ganz erhebliche Auswirkungen. Sie führen auch dann, wenn es "nur" um Kinder geht, die im Haushalt ihrer Eltern etwa wegen Überforderung oder gesundheitlichen Problemen nicht gut versorgt werden können, zu einer für alle beteiligten Professionen deutlich aufwändigeren Bearbeitung. Im Folgenden ist daher auch der Frage nachzugehen, ob die Neuregelung einen besseren Schutz von Kinderrechten in allen familiengerichtlichen Fragestellungen gewährleisten kann.
I. Qualität der Familiengerichte
In den vergangenen Jahren ist der Ruf nach einer Verbesserung der Qualität familiengerichtlicher Rechtsprechung immer lauter geworden, die dazu vorgeschlagenen Instrumente sind vielfältig: Die Vermittlung des Familienrechts an den Universitäten ist nach Auffassung wohl aller Beteiligter Grundlage eines gelingenden Einstiegs in ein Familiendezernat – und deswegen ist die stiefmütterliche Behandlung des Fachs in der Juristenausbildung der meisten Bundesländern ein unhaltbarer Zustand. Einige setzen vor allem auf regelmäßige, breit angelegte, freiwillige, von den Landesjustizministerien finanzierte Fortbildung der Richterinnen und Richter. Grundlage dafür, dies für ausreichend zu halten, ist das Vertrauen in eine unbestritten fortbildungsfreudige Richterschaft und in die Bereitschaft der Bundesländer, die Fortbildungsangebote zu erweitern.
Oft wurde gefordert, die angesichts des Richtermangels im Zuge der Wiedervereinigung eingeführte Möglichkeit wieder abzuschaffen, Richter auf Probe mit einem familienrichterlichen Dezernat zu betrauen. Damit könnte man verhindern, dass sehr unerfahrene Richter(innen) tätig werden, die außerdem mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nur äußerst kurz mit Fa...