Argiris Balomatis
In unserer familienrechtlichen Praxis erfreuen wir uns immer öfter an Sachverhalten mit Auslandsbezug. Wir fragen routinemäßig die Staatsangehörigkeiten ab, lassen uns eine Chronologie der Wohnorte seit Eheschließung geben und sammeln ganz akribisch die subjektiven und objektiven Kriterien für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts. In aller Regel sind wir erleichtert, wenn ein Sachverhalt keinerlei Auslandsbezug aufweist und wir uns auf dem sicheren Terrain des deutschen Familienrechts fortbewegen können.
In der Gestaltungspraxis etwa von Eheverträgen wird es schon kniffliger. Weist ein Sachverhalt heute keinen Auslandsbezug auf, kann dieser uns bereits morgen etwa durch den Erwerb einer Ferienimmobilie im Ausland mit voller Wucht treffen.
Ein Ferienhaus in Schweden war letztlich der Grund, weshalb sich der EuGH mit der Frage befassen musste, ob das Güterrechtsviertel des § 1371 Abs. 1 BGB güterrechtlich oder erbrechtlich zu qualifizieren ist.
Wir erinnern uns: Die Eheleute Mahnkopf lebten während ihrer Ehe ausschließlich und gewöhnlich in Deutschland, waren ausschließlich deutsche Staatsangehörige und verbrachten ihre Urlaube regelmäßig in Schweden, wo sie sich ein Ferienhäuschen angeschafft hatten. Nach dem Tod des Ehemannes erließ das zuständige deutsche Nachlassgericht einen Erbschein mit der gesetzlichen Erbquote der Ehefrau nach §§ 1931 Abs. 1, 3, 1371 Abs. 1 BGB von ein halb (die andere Hälfte ging an den gemeinsamen Sohn).
Zum Zwecke der Grundbuchberichtigung in Schweden beantragte Frau Mahnkopf sodann die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses mit den gleichen Erbquoten. Dies wurde abgelehnt, die Qualifikation des güterrechtlichen Viertels in § 1371 Abs. 1 BGB sei ungeklärt und bedürfe der höchstrichterlichen Entscheidung durch den EuGH (obwohl bereits zuvor der BGH entschieden hatte, dass § 1371 Abs. 1 BGB ausschließlich güterrechtlich zu qualifizieren sei).
Der EuGH entschied (salopp formuliert), dass eine nationale Regelung, die nach Erbrecht "riecht" und Erbquoten bestimmt, ausschließlich erbrechtlich zu qualifizieren ist und zwar unabhängig davon, ob die Erhöhung der Erbquote aufgrund eines güterrechtlichen Korrektivs erfolgt. Wir erinnern uns erneut: Das Güterrechtsviertel wurde im Rahmen des Gleichberechtigungsgesetzes 1957 in das BGB eingeführt und ist europaweit einzigartig.
Und was bedeutet das für uns? Natürlich raten Sie Ihren Mandanten "kaufen Sie sich eine Ferienimmobilie im Allgäu, dem Harz oder an der Ostsee aber um Gottes Willen nicht im Ausland". Im Ernst: Sinnvoller ist es, auf einen Gleichlauf von Güterstatut und Erbstatut durch entsprechende Rechtswahlen hinzuwirken. Oftmals wird in Eheverträgen trotz eingehender Beratung meist aus Kostengründen auf eine Rechtswahl nach der EuGüVO (Art. 22) verzichtet. Eine solche ist jedoch unerlässlich und zwar in Kombination mit einer Rechtswahl nach der EuErbVO (ebenfalls Art. 22).
Die Rechtssache Mahnkopf zeigt, wie wichtig es ist, im Wege der Rechtswahl den Gleichlauf von Erb- und Güterstatut herzustellen. Denn nur dieser Gleichlauf führt dazu, dass etwa das deutsche Güterrechtsviertel auch in einem europäischen Nachlasszeugnis bei der Feststellung der Erbquote berücksichtigt wird.
Ich gehe nicht davon aus, dass das deutsche Güterrechtsviertel "weg-europäisiert" wird, wie vereinzelt zu lesen ist. Gleichwohl halte ich es für wichtig, wenn wir unsere europäischen Antennen weiterhin ausfahren und sensibilisieren.
Eine hervorragende Möglichkeit hierfür bietet der 3. Internationale Familienrechtstag, der am 11. und 12.2.2022 in Berlin stattfindet. Melden Sie sich bequem online über unsere homepage "www.familienanwaelte-dav.de" an.
Ich freue mich, Sie nächstes Jahr in Berlin persönlich zu begrüßen.
Autor: Argiris Balomatis
Argiris Balomatis, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Tübingen
FF 11/2021, S. 425