EuGH, Urt. v. 2.8.2021 – Rs. C-262/21 PPU
Art. 2 Nr. 11 Brüssel IIa-VO ist dahin auszulegen, dass kein widerrechtliches Verbringen oder widerrechtliches Zurückhalten im Sinne dieser Bestimmung vorliegen kann, wenn sich ein Elternteil ohne Zustimmung des anderen Elternteils in Befolgung einer von einem Mitgliedstaat auf der Grundlage der Dublin III-VO getroffenen Überstellungsentscheidung dazu veranlasst sieht, sein Kind aus diesem Staat, in dem sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes befand, in einen anderen Mitgliedstaat zu bringen und im letztgenannten Mitgliedstaat zu bleiben, nachdem die Überstellungsentscheidung für nichtig erklärt wurde, ohne dass die Behörden des erstgenannten Mitgliedstaats beschlossen hätten, die überstellten Personen wieder aufzunehmen oder ihnen den Aufenthalt zu gestatten.
BGH, Beschl. v. 19.5.2021 – XII ZB 190/18
a) Ist ein Scheidungsverfahren zwischen dem 21.6.2012 und dem 28.1.2013 eingeleitet worden, gelten für die Anknüpfung des Scheidungsstatuts anstelle von Art. 17 Abs. 1 EGBGB 2009 die höherrangigen Regelungen der Rom III-Verordnung; wegen der Anknüpfung des Versorgungsausgleichs wird Art. 17 Abs. 1 EGBGB 2009 demgegenüber nicht von der Rom III-Verordnung verdrängt, so dass sich das auf den Versorgungsausgleich anwendbare Recht weiterhin nach dem Ehewirkungsstatut bestimmt und es deshalb in der Interimsphase zu einer Divergenz zwischen dem tatsächlichen Scheidungsstatut und dem Versorgungsausgleichsstatut kommen kann.
b) Nicht ehezeitlich erworbene ausländische Anrechte der Ehegatten unterfallen nicht dem Anwendungsbereich von § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG und können folglich auch keine Ausgleichssperre nach § 19 Abs. 3 VersAusglG auslösen.
c) § 27 VersAusglG verfolgt nicht den Zweck, eine insgesamt gleichmäßige Verteilung des in der Ehe erwirtschafteten Vermögens zu erreichen, so dass die Vorschrift auch keinen dahingehenden Automatismus bewirkt, dass ansonsten nicht realisierbare vermögensrechtliche Forderungen der Ehegatten untereinander mit den im Wege des Versorgungsausgleichs auszugleichenden Versorgungsanrechten stets in voller Höhe zu verrechnen wären.
BGH, Beschl. v. 9.6.2021 – XII ZB 416/19
a) Nach Art. 22 lit. e Nr. i HUÜ 2007 ist nicht auf die formal ordnungsgemäße Zustellung der Benachrichtigung vom Verfahren, sondern auf die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte abzustellen. Diese gelten als gewahrt, wenn der Antragsgegner Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt hat und deswegen seine Rechte geltend machen konnte (Fortführung von Senatsbeschl. v. 22.5.2019 – XII ZB 523/17, FamRZ 2019, 1271).
b) Ob im Fall einer nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsstaats erfolgten fiktiven Zustellung der Benachrichtigung vom Verfahren die Verteidigungsrechte des Antragsgegners im Sinne von Art. 22 lit. e Nr. i HUÜ 2007 gewahrt sind, ist im Wege einer Abwägung der schützenswerten Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (Fortführung von Senatsbeschl. v. 28.11.2007 – XII ZB 217/05, FamRZ 2008, 390).
c) Der Versagungsgrund des Art. 22 lit. e Nr. i HUÜ 2007 entfällt nicht dadurch, dass der Antragsgegner nach Erlangung der Kenntnis von der ausländischen Entscheidung keinen nach der Verfahrensordnung des Ursprungsstaats zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat (Fortführung von Senatsbeschl. v. 3.4.2019 – XII ZB 311/17, FamRZ 2019, 996).
OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.8.2021 – 7 W 87/21
1. Dass ein Name nicht frei wählbar ist, mag zum Kernbestand des Namensrechts gehören, den Kernbestand der Rechtsordnung insgesamt kennzeichnet es hingegen nicht.
2. Die Mitwirkung bei der Entwicklung der Europäischen Union und der Anwendungsvorrang des Rechts der Europäischen Union unter dem Vorbehalt der Verfassungsidentität Deutschlands gehören zum Kernbestand der Rechtsordnung Deutschlands.
3. Ein in einem EU-Mitgliedstaat wirksam erworbener Namensbestandteil, der auf eine frühere Adelsbezeichnung hindeutet, darf nur in Einzelfällen zurückgewiesen werden, wenn die private Namensänderung im Ausland keine familiären oder sozialen Gründe hat, sondern allein auf dem Motiv beruht, sich selbst dem Adelsstand zuzuordnen.
(Anm. der Red.: Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde eingelegt, XII ZB 425/21).
AG München, Beschl. v. 29.6.2021 – 528 F 12176/20 (rk)
1. Eine nach dem anwendbaren ausländischen Recht kraft Gesetzes bestehende Elternstellung der Ehefrau der Mutter für das aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung mittels einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme geschaffene Kind ist im Inland anzuerkennen.
2. Das Familiengericht kann sich unmittelbar oder durch Vermittlung der deutschen Verbindungsrichter im Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen an den jeweiligen ausländischen Verbindungsrichter wenden und um Auskunft zu dem in der Sache anwendbaren ausländischen Recht und dessen Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis bitten.
(Leitsätze von RiKG Dr. Martin Menne)
Autor: Gabriele Ey, Vorsitzende Rich...