I. Die Ausgangslage
Mit dem 18. Geburtstag enden die elterliche Sorge im Rechtssinn und damit die Pflicht zur "Pflege und Erziehung" des Kindes. Die Grundlage für eine Gleichbewertung von Betreuungs-(= Natural-) und Barunterhalt entfällt. An die Stelle des Betreuungsbedarfs tritt ein erhöhter Barbedarf. Beide Elternteile (also auch der, bei dem das Kind weiterhin lebt) schulden jetzt Barunterhalt und haften im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit anteilig nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Insoweit bestehen wechselseitige Auskunftspflichten beider Elternteile. Der "betreuende" Elternteil kann vom Kind Kostgeld verlangen. Es taucht die wichtige Frage auf, für welchen Zeitraum der Volljährige noch Unterhalt zu beanspruchen hat.
Die Frage, wie es nach dem Volljährigwerden des Kindes im Hinblick auf eine mögliche Interessenkollision mit der anwaltlichen Vertretung weitergehen kann bzw. muss, stellt sich naturgemäß nur in den Fällen, in denen der Rechtsanwalt einen Elternteil und das minderjährige Kind gemeinsam vertreten konnte, und außerdem in dem Sonderfall der Prozessstandschaft, in dem der Anwalt bislang nur den einen Elternteil, nicht auch das Kind vertreten hat.
II. Die wichtigsten Sachverhaltsalternativen
Nach Volljährigwerden des Kindes sind vielfältige Sachverhaltsalternativen denkbar, darunter vor allem die Folgenden:
1. Fallkonstellation
Das volljährige Kind bleibt bei dem Elternteil, z.B. der Mutter, bei dem es bisher gelebt hat, wohnen. Die Verhältnisse, insbesondere das gute Einvernehmen mit der Mutter ändern sich nicht. Die Mutter versorgt das Kind auch weiterhin mit Nahrung, Kleidung und allem, was es benötigt. Das Kind entrichtet den Barunterhalt, den ihm der Vater zahlt – abzüglich eines "Taschengeldes" – an die Mutter.
2. Fallkonstellation
Das volljährige Kind bleibt aus Bequemlichkeit und/oder in Ermangelung von Alternativen bei dem Elternteil, z.B. der Mutter, bei dem es bisher gelebt hat, wohnen. Allerdings gibt es (schon seit Längerem) Differenzen. Das Kind verlangt jetzt von der Mutter neben Naturalleistungen auch erhöhte finanzielle Zuwendungen.
3. Fallkonstellation
Das Kind zieht von dem bisher betreuenden Elternteil zum anderen Elternteil (um im Beispiel zu bleiben, also zum Vater). Das (bisherige) gute Einvernehmen mit dem anderen Elternteil bleibt bestehen. Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Unterhalts gibt es nicht.
4. Fallkonstellation
Wie in Fallkonstellation 3. Allerdings gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kind und dem bisher betreuenden Elternteil, insbesondere auch über die Höhe des Unterhalts.
5. Fallkonstellation
Das Kind zieht bei dem bisher betreuenden Elternteil aus und gründet einen eigenen Hausstand. Das gute Einvernehmen mit dem bisher betreuenden Elternteil bleibt bestehen.
6. Fallkonstellation
Das Kind zieht bei dem bisher betreuenden Elternteil aus und gründet einen eigenen Hausstand. Für die Beziehung gilt das Gleiche wie in Fallkonstellation 4.
7. Fallkonstellation
Das Kind, das bislang alleine im Internat gelebt hat, gründet einen eigenen Hausstand oder zieht jetzt zu einem Elternteil. Meinungsverschiedenheiten gibt es nicht.
8. Fallkonstellation
Das Kind, das bislang alleine im Internat gelebt hat, gründet einen eigenen Hausstand oder zieht jetzt zu einem Elternteil. Es entwickeln sich Meinungsverschiedenheiten.
9. Fallkonstellation
Das Kind, das im Rahmen des Wechselmodells mal bei dem Vater und mal bei der Mutter gelebt hat, behält diesen Modus auch nach Volljährigkeit bei. Meinungsverschiedenheiten gibt es nicht.
10. Fallkonstellation
Das Kind, das im Rahmen des Wechselmodells mal bei dem Vater und mal bei der Mutter gelebt hat, behält diesen Modus auch nach Volljährigkeit bei. Es entwickeln sich Meinungsverschiedenheiten.
11. Fallkonstellation
Das Kind, das im Rahmen des Wechselmodells mal bei dem Vater und mal bei der Mutter gelebt hat, gründet einen eigenen Hausstand oder zieht jetzt fest zu einem Elternteil. Meinungsverschiedenheiten gibt es nicht.
12. Fallkonstellation
Das Kind, das im Rahmen des Wechselmodells mal bei dem Vater und mal bei der Mutter gelebt hat, gründet einen eigenen Hausstand oder zieht jetzt fest zu einem Elternteil. Es entwickeln sich Meinungsverschiedenheiten.
III. Zur Frage, ob die (weiterhin) gemeinsame Vertretung eines Elternteils und des "Kindes" möglich ist
Die dargestellten Fallkonstellationen zeigen, wie unterschiedlich sich die Lebenssituationen und damit auch die Interessenlagen der Beteiligten entwickeln können.
Eine (weiterhin) gemeinsame Vertretung eines Elternteils und des volljährig gewordenen Kindes durch denselben Rechtsanwalt kommt natürlich überhaupt nur dort in Betracht, wo der Elternteil und das Kind sich einig (waren und) sind und die gemeinsame Vertretung wünschen. Sie scheidet deshalb aus in den Fallkonstellationen 2, 4, 6, 8, 10...