Nach der hier vertretenen Ansicht ist bereits bei der Feststellung der jeweiligen Interessen der Parteien – unter den dargestellten Voraussetzungen und Einschränkungen – auch der subjektive Wille maßgeblich. Die Frage nach der Beachtlichkeit eines Einverständnisses stellt sich deshalb letztlich nicht mehr.
Wollte man die Interessenbestimmung nach rein objektiven Kriterien vornehmen, käme es auf ein mögliches Einverständnis an, das nach der hier vertretenen Auffassung unter den dargestellten Voraussetzungen auch beachtlich wäre.
Dass dies alles bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Frage nicht dem "sichersten Weg" entspricht, nach dem viele Rechtsanwälte (nicht zu Unrecht) suchen, bedarf keiner Erwähnung. Wer auf Nummer sicher gehen will, bestimmt grundsätzlich die Interessen der Parteien nach rein objektiven Kriterien und hält ein mögliches Einverständnis mit einer Mehrfachvertretung für unbeachtlich. Wer diesen Standpunkt einnimmt, dem bleibt nichts anderes übrig, als das Kind nach Volljährigwerden an einen Kollegen/eine Kollegin zu verweisen. (Selbstverständlich kann dies ebenso gut umgekehrt geschehen, indem das Kind weiter vertreten und der eine Elternteil an einen anderen Anwalt/eine andere Anwältin verwiesen wird).
Allerdings muss sich ein so "puristisch" denkender Anwalt dann auch die Frage stellen, ob hier nicht sogar das Mandat für den bisher (mit) beratenen und vertretenen Elternteil niedergelegt werden muss. Denn vom Standpunkt des Kindes aus betrachtet ist der Anwalt, der – außer in den Fällen der Prozessstandschaft – bisher auch der Anwalt des Kindes war, ja unversehens auf die Gegenseite geraten. Bei strenger Wortlautauslegung des § 3 Abs. 1 1. Alt. BORA würde auch dies den Tatbestand der Vertretung widerstreitender Interessen erfüllen.
Von der (Weiter-)Vertretung des volljährig gewordenen Kindes ist natürlich immer dann (unbedingt) abzuraten, wenn sich die Lebensumstände und/oder die emotionalen Beziehungen geändert haben. Kommt es nach Eintritt der Volljährigkeit zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kind und dem bisher betreuenden Elternteil, die insbesondere auch die Unterhaltsleistung betreffen, und/oder zieht das Kind von dem bisher betreuenden Elternteil weg, sollte immer ein neuer Anwalt/eine neue Anwältin auf Seiten des Kindes hinzugezogen werden.
Es stellt sich dann auch wieder die Frage, ob der Anwalt, der bisher den betreuenden Elternteil und das Kind gemeinsam vertreten hat, die Vertretung des Elternteils fortsetzen kann, weil ja das Kind selbst Partei war und jetzt auf die Gegenseite gewechselt ist. Da allerdings das Kind von sich aus diesen Schritt getan und den Anwalt gewissermaßen unwillkürlich in die Kollisionssituation gebracht hat, wird man dem Anwalt hieraus keinen "Strick drehen" und ihn auch nicht in die Lage versetzen dürfen, das Mandat niederlegen zu müssen.