Bei der Besprechung einer Scheidungs- oder Getrenntlebensvereinbarung sollte der Rechtsberater den Ehegatten die Frage stellen, ob eine Verfügung von Todes wegen existiert, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat; er hat sich diese zwecks Prüfung vorlegen zu lassen.
1. Der gemeinsame Widerruf
Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist der gemeinsame Widerruf, beim Erbvertrag die Aufhebung des Erbvertrages (§ 2290 BGB), zu empfehlen, die ergänzend in die ehevertragliche Vereinbarung aufgenommen werden sollte. In ihr kann auch jeder Ehegatte seine früheren einseitigen Testamente widerrufen.
Formulierungsbeispiel:
Alle Verfügungen von Todes wegen, die wir bisher gemeinsam oder einzeln errichtet haben, widerrufen wir, einen Erbvertrag heben wir auf.
Der Notar hat uns darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Erbfolge solange gilt, bis ein jeder von uns ein neues Testament errichtet hat. Er hat uns über das Pflichtteilsrecht des Ehegatten belehrt.
Der Widerruf sollte in jedem Fall, auch nur vorsorglich, erklärt werden, weil sich die Ehegatten an eine frühere Verfügung möglicherweise nicht mehr erinnern. Die Ehegatten sind darauf hinzuweisen, dass sie das gesetzliche Erbrecht des anderen Ehegatten nur durch eine neue Verfügung von Todes wegen beseitigen können, dessen Pflichtteilsrecht aber unberührt bleibt.
Wird dieser gemeinsame Widerruf von dem anderen Ehegatten abgelehnt, ist zu prüfen, ob der Erblasser einseitig seine Verfügung von Todes wegen widerrufen kann.
2. Der Erbverzicht lässt eine letztwillige Verfügung unberührt
Schließen die Ehegatten einen Erbverzichtsvertrag nach § 2346 BGB, verzichten sie (allein) auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht.
Dieser Verzicht lässt die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen unberührt. Es ist auch in diesem Fall der Widerruf des Testaments bzw. die Aufhebung des Erbvertrages zwingend erforderlich.
3. Der Widerruf eines Einzeltestaments
Jeder Ehegatte kann nach § 2253 BGB sein Einzeltestament jederzeit widerrufen. Der Widerruf muss dem Formerfordernis eines Testaments entsprechen (§ 2254 BGB). Er kann in einem eigenhändigen Testament (§ 2247 BGB) oder zur Niederschrift eines Notars (§ 2232 BGB) erklärt werden.
Das reine Widerrufstestament nach § 2253 BGB ("Die Erbeinsetzung meines Ehemannes widerrufe ich“) ist untauglich, da es zwar die frühere testamentarische Verfügung zugunsten des Ehegatten beseitigt, nun aber die gesetzliche Erbfolge gilt. Es genügt nur nach Abschluss eines Erbverzichtsvertrages, der das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten entfallen lässt. In allen anderen Fällen muss der Erblasser durch ein neues formgültiges Testament entweder den Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen (enterben), oder seinen Erben bestimmen. Ein späteres inhaltlich widersprechendes Testament enthält konkludent den Widerruf des früheren Testaments (§ 2258 BGB). Es genügt daher, wenn der Erblasser eine dritte Person, z.B. seine Kinder, zu Erben einsetzt."
4. Der Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments
Haben sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig bedacht, ist nach § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, dass die Verfügungen wechselbezüglich getroffen sind. Der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung hat gemäß § 2271 Abs. 1 S. 1 BGB nach der für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296 BGB zu erfolgen. Nach § 2296 Abs. 2 BGB bedarf der Widerruf der Form der notariellen Beurkundung und muss als empfangsbedürftige Erklärung dem anderen Ehegatten zu Lebzeiten in Ausfertigung (beglaubigte Abschrift genügt nicht) zugehen. Die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher ist nicht notwendig, aber aus Beweisgründen (§ 418 ZPO) zu empfehlen. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte seine Verfügung nicht einseitig aufheben (§ 2271 Abs. 1 S. 2 BGB).
Ist der Widerrufsadressat, also der andere Ehegatte, geschäftsunfähig, hindert dies die Möglichkeit des Widerrufs nicht, die Widerrufserklärung ist in Ausfertigung dem Betreuer (mit dem Wirkungskreis der Vermögenssorge) zuzustellen.
Formulierungsbeispiel des notariell zu beurkundenden Widerrufs:
1. Ich habe am … mit meinem Ehemann … wohnhaft … ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem wir uns gegenseitig, der Erstversterbende den Längstlebenden, zum alleinigen Erben und unsere gemeinsamen Kinder zu Schlusserben eingesetzt haben.
2. Ich widerrufe gegenüber meinem Ehemann sämtliche in dem Testament von mir getroffenen Verfügungen von Todes wegen.
3. Ich beauftrage den amtierenden Notar, eine Ausfertigung der Urkunde meinem Ehemann förmlich zustellen zu lassen.
4. Mir ist bekannt, dass durch diesen Widerruf auch die letztwilligen Verfügungen meines Ehemannes unwirksam werden und das gemeinschaftliche Testament seinem gesamten Inhalt nach unwirksam wird.
Der Notar hat mich darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Erbfolge gilt, solange ich kein neues Testament errichte.