Bassenge/Brudermüller/Ellenberger/Götz/Grüneberg/Sprau/Thorn/Weidenkaff/Weidlich73. Aufl. 2014, 3.220 S., 109 EUR, Verlag C. H. Beck, ISBN 978-3-406-64400-9
Der Palandt begleitet den Rezensenten seit über 50 Jahren. Das Werk ist für Generationen von Juristen unverzichtbar geworden, der Name Palandt fast ein Synonym für Bürgerliches Gesetzbuch. Die jährliche Neuauflage ermöglicht eine außergewöhnlich zeitnahe Aktualisierung, wie sie bei anderen Kommentaren leider nicht möglich ist. Der Palandt ist – meistens – à jour!
Der Bearbeiterkreis hat sich diesmal gegenüber der Vorauflage nicht verändert. Die familienrechtlichen Regelungen des BGB und der dazu gehörenden "Nebengesetze" werden weiterhin von den ausgewiesenen Kennern Gerd Brudermüller, Isabell Götz (seit der Vorauflage) und Karsten Thorn erläutert.
Diesmal waren in die Neuauflage rund 20 neue Gesetze einzuarbeiten, auf dem Gebiet des Familienrechts vor allem die klarstellende Neufassung des § 1578b Abs. 1 BGB, die noch Ende 2012 neu eingeführte Vorschrift zur Beschneidung des männlichen Kindes (§ 1631d BGB), das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern und das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters.
Die Hervorhebung der Ehedauer in § 1578b Abs. 1 BGB n.F. soll keine wesentliche Änderung des nach der neueren BGH-Rechtsprechung bestehenden Rechtszustandes bewirken (§ 1578b Rn 8, 9). Bei § 1631d BGB wird auf die vorangegangene kontroverse Diskussion in der gebotenen Kürze hingewiesen (Rn 1).
Die Neufassung der §§ 1626a und 1671 Abs. 2 BGB sind durch Entscheidungen des EGMR und des BVerfG ausgelöst worden. Die Kommentierungen orientieren sich an dem "neuen Leitbild" gesetzlicher Sorgegemeinsamkeit, von der zu hoffen ist, dass sie sich bewährt. Auch das neue Umgangs- und Auskunftsrecht leiblicher Väter (§ 1686a BGB) gründet auf der Rechtsprechung des EGMR. Hier wird zutreffend angemerkt, dass mit diesen Rechten keine Pflichten korrespondieren (Rn 1). Die Grundrechtsstellung des Kindes wird dabei leider nur durch den Verweis auf § 1671 BGB Rn 41 berücksichtigt (§ 1626a Rn 12).
Wie gewohnt, haben die Bearbeiter neben gesetzlichen Änderungen auch aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung und – zurückhaltender – im Schrifttum eingearbeitet. Beispielhaft sei nur hingewiesen auf die Konsequenzen, die der BGH aus der Entscheidung des BVerfG zur sog. Dreiteilungsmethode bei konkurrierenden Unterhaltsansprüchen gezogen hat (§ 1578 BGB Rn 53), und auf die systematische und zeitnahe Aufarbeitung der schon nahezu unübersehbar reichen Judikatur zu § 1578b BGB (Rn 3 ff.).
In einigen Bereichen, die nicht so im Fokus stehen, lässt die Aktualisierung aber leider etwas auf sich warten. Bei der generellen Betrachtung des Verhältnisses zwischen Unterhaltsanspruch und Rente aus Versorgungsausgleich (Einf. v. § 1569 BGB Rn 16) wird immer noch auf BGH NJW 1982, 1147, abgestellt, obwohl der BGH diese Rechtsprechung bereits im Jahr 2001 (BGH FamRZ 2002, 88) änderte und sie im Jahr 2008 erneut wesentlich modifizierte (BGH NJW 2008, 2581). Auf den Beitrag des Rezensenten in FamRZ 2010, 418, sei verwiesen. Die etwas aktuelleren "nachrangigen" Detailerläuterungen unter § 1578b BGB Rn 4 und VersAusglG Einl. 7 vermögen diese irreführende Schwachstelle nicht zu kompensieren.
Allmählich gewinnt auch die Kommentierung des VersAusglG eigenständige Konturen gegenüber den Vorgängerregelungen. Das zeigt sich besonders bei § 27 VersAusglG, dessen Kommentierung anfangs fast ausschließlich aus einer Zusammenfassung der Erläuterungen zu den eng gefassten §§ 1587c und 1587h BGB a.F. bestand, obwohl die neue Härteklausel einen "erweiterten Spielraum bei der Anordnung eines Ausschlusses" des Versorgungsausgleichs enthält. Deren Anwendung macht Gerichten aber immer noch beachtliche Schwierigkeiten, so dass manche Familiengerichte diese Norm sogar bewusst ignorieren und auf die nächste Instanz verweisen. Die mittlerweile ausdifferenzierte Übersicht zu Fällen "grober Unbilligkeit" i.S.d. § 27 VersAusglG (§ 27 Rn 11 ff.) sollte hier hilfreich sein.
Auch wenn der Palandt vorrangig "rechtsprechungsorientierte Antworten" geben will, ist man stets auch auf kritische Hinweise zur aktuellen Rechtsprechung gestoßen. Die Anmerkungen scheinen leider abzunehmen. Bis zur 70. Aufl. (§ 1578 BGB Rn 3) fand sich z.B. ein kritischer Hinweis zu der Rechtsprechung, den Wegfall des Vorteils der Haushaltstätigkeit des Unterhaltsberechtigten auf Seiten des Unterhaltspflichtigen nicht zu berücksichtigen. Dieser Passus ist seitdem entfallen, ohne dass der Rezensent einen Sachgrund erkennen kann.
Keine kritische Bemerkung kann und soll die einzigartige Bedeutung des Palandt in Frage stellen. Jede Neuauflage ist ein stets weiter gereiftes Meisterwerk. Es ist kaum zu ermessen, welche gehaltvolle Fülle auf 3.220 Seiten ausgebreitet wird. Und es beeindruckt immer wieder, dass 3.220 + XXXIV Seiten in einem einzigen und immer noch handlichen Buch zusammengefasst werden könn...