In den Frühjahrs- und Sommermonaten des Jahres 2014 hat das BVerfG in sieben Verfahren Verfassungsbeschwerden von Eltern stattgegeben, die sich im Kern gegen die Fremdunterbringung ihrer Kinder wandten. Die bloße Zahl der Stattgaben scheint auf unterschiedlichen Seiten Hoffnungen und Befürchtungen zu nähren. Die Zahlen geben indessen weder für das eine noch für das andere viel her.
In der Sache gelten in Fremdunterbringungsverfahren nach der Rechtsprechung des BVerfG traditionell Besonderheiten: Es kommt ein strengerer materieller Prüfungsmaßstab zur Anwendung und es erfolgt eine intensivere verfassungsgerichtliche Kontrolle. Jugendämter und Familiengerichte haben einerseits den verfassungsrechtlich in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG ausdrücklich formulierten Auftrag, den durch die Kindesgrundrechte (insbesondere Art. 2 Abs. 1 und 2 GG) vorgegebenen Schutzauftrag des Staates für das seelische und leibliche Wohl des Kindes zu realisieren. Auf der anderen Seite verletzt eine unnötige Trennung eines Kindes von seinen Eltern das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) wie auch das Grundrecht des Kindes auf die Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) erheblich. In der Rechtsprechung des BVerfG gilt eine unnötige Trennung von Kind und Eltern seit jeher als besonders schwerer Grundrechtseingriff. In den sieben stattgebenden Kammerentscheidungen ist diese Rechtsprechung in den wesentlichen Inhalten unverändert fortgeführt worden – mit einer gewissen Aufmerksamkeitslenkung hin zu den Grundrechten der Kinder, die durch eine unnötige Trennung von ihren Eltern mindestens so schwer getroffen sein können wie die Eltern.
Wie nähere Betrachtung zeigt, lässt auch der äußerliche Umstand, dass das BVerfG hier innerhalb von sechs Monaten in sieben Einzelfällen einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben hat, keine Schlüsse auf eine etwaige Neuausrichtung der Rechtsprechung des BVerfG zu. Dass die bloßen Zahlen unergiebig sind, ist allerdings nur zu erkennen, wenn man die Gesamtzahl einschlägiger Verfahren des BVerfG betrachtet und die sieben Stattgaben dazu ins Verhältnis setzt. Für Außenstehende ist dies praktisch nicht möglich. Wie viele Verfahren mit einem inhaltlichen Bezug zur Fremdunterbringung vom BVerfG entschieden werden, ist keiner offiziellen Statistik zu entnehmen. Außenstehende können dies auch nicht anhand einer Auswertung der entschiedenen Fälle ermitteln.
Ganz überwiegend handelte es sich bei den Fremdunterbringungsentscheidungen des BVerfG um Nichtannahmebeschlüsse der Kammer. Das BVerfG begründet seine Nichtannahmeentscheidungen aber in den meisten Fällen nicht, sodass anhand der Entscheidung in aller Regel nicht erkennbar ist, über welche Rechtsfragen und Sachverhalte in einer Verfassungsbeschwerde entschieden wurde. So wurden im Jahr 2013 von 6.007 Nichtannahmeentscheidungen nur 245 – über eine bloße Tenorbegründung hinaus – mit Gründen versehen. Letztlich kann unter diesen Umständen nur das BVerfG selbst feststellen, wie viele Entscheidungen zu welchem Rechtsproblem getroffen werden. Eine umfassende statistische Auswertung findet allerdings auch intern nicht statt. Die folgenden Angaben beruhen daher überwiegend auf erneuter Durchsicht der Akten von Verfassungsbeschwerden der letzten Jahre aus dem Familienrecht. Fehlzählungen und -zuordnungen sind dabei nicht auszuschließen.