Die jüngste zu Fragen des § 1615l BGB ergangene Entscheidung des BGH betrifft den Unterhaltsanspruch einer Mutter, die ein zu 100 % schwerbehindertes nichteheliches Kind betreut, über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus. Zu dieser Entscheidung sind bereits verschiedene Anmerkungen veröffentlicht worden.[1] Die Besprechung an dieser Stelle soll sich auf zwei Aspekte beschränken, die über den konkreten Fall hinaus von Bedeutung sind. Sie soll zudem eine bisher unbefriedigend gelöste Bedarfsfrage aufgreifen.

Kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt

Zunächst einmal stellt der BGH etwas klar, was sich zwingend aus einem Vergleich der gesetzlichen Bestimmungen zum Ehegattenunterhalt und zum Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB ergibt, bisher aber nicht von allen Gerichten so gesehen wurde:[2] Dem ein nichteheliches Kind betreuenden Elternteil steht kein Ausbildungsunterhalt zu. Einen Ausbildungsunterhalt sieht das nacheheliche Unterhaltsrecht unter den Voraussetzungen des § 1575 BGB, ggf. auch des § 1574 Abs. 3 i.V.m. § 1573 Abs. 1 BGB, vor. Aus § 1570 BGB, der Vorschrift, die den Betreuungsunterhalt bei ehelichen Kindern regelt, kann ein solcher Anspruch nicht hergeleitet werden. Insbesondere stellt die Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen, so der BGH, keinen elternbezogenen Grund i.S.d. § 1570 Abs. 2 BGB dar. Für den Anspruch nach § 1615l BGB kann dann nichts anderes gelten. Im entschiedenen Fall konnte daher der das Kind betreuenden Mutter, die statt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen ihr anlässlich der Geburt des Kindes unterbrochenes Studium wieder aufgenommen hatte, unter diesem Gesichtspunkt kein elternbezogener Grund für eine Verlängerung ihres Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 BGB über das 3. Lebensjahr des Kindes hinaus zugestanden werden. Nicht ausgeschlossen erscheint es allerdings, bei besonderen Fallgestaltungen – etwa bei gemeinsamer entsprechender Lebensplanung der Eltern des Kindes – zu anderen Ergebnissen zu kommen.[3]

Keine Festschreibung des Bedarfs auf den Zeitpunkt der Geburt

Der zweite anzusprechende Aspekt betrifft eine Frage, die weit weniger eindeutig zu beantworten ist, die Frage nämlich, ob der Bedarf des ein nichteheliches Kind betreuenden Elternteils (im Folgenden nehmen wir an: der Mutter), der sich ja gemäß §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten richtet, auf die Verhältnisse festgeschrieben ist, die im Zeitpunkt der Geburt gegeben waren. Kommt es bei der Bemessung des Bedarfs darauf an, welche Einkünfte die Mutter bei der Geburt des Kindes hatte, oder darauf, welche sie ohne die Geburt des Kindes im in Rede stehenden Unterhaltszeitraum hätte? In der Vergangenheit hatte der BGH mal die eine,[4] mal die andere[5] Formulierung gebraucht, ohne auf deren unterschiedliche Bedeutung und Konsequenzen einzugehen. In seiner jetzigen Entscheidung stellt er in seinen Hinweisen für das weitere Verfahren nach Zurückverweisung an das OLG und in seinem dritten Leitsatz klar: Maßgebend ist, welche Einkünfte die Mutter hätte, wäre das Kind nicht geboren worden.

Die Festlegung des BGH auf diese Sichtweise ist zu begrüßen.[6] Sie löst sich von der Vorstellung, der Lebensbedarf sei "eingefroren"[7] auf den Stand der Einkünfte, die bei Geburt des Kindes vorhanden waren; er könne nicht von einem Einkommen bestimmt sein, das die Mutter bis zur Geburt noch zu keinem Zeitpunkt erzielt habe, auch wenn eine Einkommensverbesserung bevorgestanden habe. Sie öffnet sich für eine Berücksichtigung der bei der Geburt gegebenen Entwicklungsmöglichkeiten der Mutter, für die Berücksichtigung geburtsbedingter Nachteile. Zwar macht sie die Unterhaltsberechnung nicht einfacher, denn nun müssen Prognoseüberlegungen angestellt werden – mit allen damit einhergehenden und aus dem Ehegattenunterhaltsrecht bekannten Unsicherheiten. Aber sie führt zu gerechteren Ergebnissen.

Zwei Beispiele mögen dies verdeutlichen:

Nehmen wir zunächst den in der Literatur viel diskutierten "Prädikatsexamensfall"[8]: Die Mutter hatte kurz vor der Geburt des Kindes ihr zweites juristisches Staatsexamen abgelegt, und zwar mit Prädikat. Da auch schon ihre erste Staatsprüfung mit Prädikat abgeschlossen war, hatte sie beste Chancen, in den Staatsdienst übernommen zu werden und eine Richterstelle zu bekommen. Stattdessen betreut sie nun das Kind. Würde man bei der Beurteilung ihrer Lebensstellung i.S.d. §§ 1615l Abs. 3 S. 1, 1610 Abs. 1 BGB und damit ihres Bedarfs an den Ist-Zustand bei Geburt des Kindes anknüpfen, wozu das OLG Bremen im Hinblick auf die seinerzeit zuletzt ergangenen BGH-Entscheidungen geneigt hat, müsste man ihr Referendargehalt zugrunde legen. Sieht man dagegen, wie es nun der BGH tut, vom Begriff der Lebensstellung auch eine einigermaßen sicher absehbare künftige Entwicklung als erfasst an, stellt man also auf das ab, was die Mutter im nun in Rede stehenden Unterhaltszeitraum ohne die Geburt des Kin...

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