1
Aktuell befindet sich eine Ergänzung der familienrechtlichen Vorschriften im BGB im Gesetzgebungsverfahren. Der von der Rechtsprechung entwickelte Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter auf Nennung des biologischen Vaters wird kodifiziert, nachdem das Bundesverfassungsgericht eine formelle gesetzliche Grundlage für den Anspruch gefordert hat. Der vorliegende Beitrag stellt die geplanten Neuregelungen vor.
I. Einleitung und Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Scheinväter leisten oft jahrelang Unterhalt für Kinder, die sie nicht gezeugt haben. Kommt die Wahrheit ans Tageslicht, haben sie einen gesetzlichen Regressanspruch gegen den biologischen Vater, § 1607 Abs. 3 BGB. Den kennt aber oft nur die Mutter – und nennt ihn nicht freiwillig. Bislang half die Rechtsprechung mit einem von ihr entwickelten Auskunftsanspruch, den das Bundesverfassungsgericht seit Februar 2016 für unvereinbar mit dem Grundgesetz hält. Die Karlsruher Richter haben den Gesetzgeber auf die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung hingewiesen, um den Auskunftsanspruch verfassungskonform auszugestalten. Dem dient der Entwurf des "Gesetztes zur Reform des Scheinvaterregresses, zur Rückbenennung und zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes". Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde vom Bundeskabinett am 31.8.2016 beschlossen. Ihm geht ein Referentenentwurf des Bundeministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vom 6.6.2016 voraus. Mittlerweile wurde dieser Entwurf dem Bundesrat zugeleitet. Dessen Ausschüsse haben Anfang Oktober 2016 Stellung genommen. Auch der Bundestag hat den Entwurf erhalten. In den folgenden Ausführungen wird der Kabinettsbeschluss zugrunde gelegt. Auf einzelne Änderungsvorschläge des Bundesrates wird in den Anmerkungen eingegangen. Die im Gesetzgebungsvorschlag ebenfalls enthaltenen Regelungen zur Rückbenennung und zum internationalen Familienverfahrensgesetz sind nicht Gegenstand der Erörterung.
Der Beitrag stellt zunächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und damit den Rahmen dar, den die Verfassungsrichter dem Gesetzgeber für eine Regelung gesetzt haben (unter 2.). Anschließend erfolgt die Darstellung der geplanten Regelungen im Hinblick auf den Auskunftsanspruch als solchen (unter 3.) und seine, bezogen auf den Zeitraum, für den Regress genommen werden kann, geplante Begrenzung (unter 4.). Kurz geht der Beitrag auf die zeitliche Anwendbarkeit (Inkrafttreten) ein (unter 5.). Abschließend wird das Ergebnis zusammengefasst (unter 6.).
II. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die gesetzgeberische Aktivität wurde durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Februar 2015 ausgelöst.
1. Der zugrunde liegende Sachverhalt entspricht einer typischen Fallkonstellation: Die Mutter und der Scheinvater heirateten aufgrund einer Schwangerschaft. Im Oktober 1991 wurde das Kind in die Ehe geboren. 1995 erfolgte die Scheidung, kurz zuvor hatte der Scheinvater von der Mutter erfahren, dass er eventuell nicht der Vater ist. In den Folgejahren lebte das Kind zeitweise bei der Mutter und zeitweise beim Scheinvater, beide leisteten zeitweise Unterhalt. Erst 2010 hat der Scheinvater die Vaterschaft erfolgreich angefochten. 2012 nimmt er die Mutter auf Auskunft in Anspruch, um seinen Regressanspruch gegen den ihm unbekannten leiblichen Vater durchsetzen zu können.
Diverse Abweichungen der Fallkonstellation sind denkbar. Sie laufen aber immer auf die Frage hinaus, wie der Scheinvater erfährt, wessen Unterhaltsverpflichtung er unwissend übernommen hat.
2. Das Bundesverfassungsgericht ordnet den aus § 1353 Abs. 1 BGB i.V.m. § 242 BGB durch die ordentlichen Gerichte entwickelten Auskunftsanspruch als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ein; die mit dem Auskunftsanspruch belastete Mutter sei in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Deshalb hat es der Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Bad Segeberg, den das Schleswig-Holsteinische OLG im Beschwerdeverfahren nicht aufhob, stattgegeben. Eine Betrachtung der Entscheidung ist nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht nur von rechtshistorischem Interesse, sondern sie liefert erste Anhaltspunkte, wie der neue gesetzliche Auskunftsanspruch in der Praxis auszulegen ist.
a) An den Anfang der Betrachtung stellen die Verfassungsrichter die Einordnung eines Auskunftsanspruchs als Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und damit die Verpflichtung, geschlechtliche Beziehungen zu einem oder mehreren Männern preiszugeben, bedeute die Offenbarung intimster Vorgänge des Privatle...