In § 1385 Nr. 2 BGB hat der Gesetzgeber eine erhebliche Besserstellung des Zugewinnausgleichsgläubigers erreicht. Im Gegensatz zur alten Fassung reicht nunmehr bereits der befürchtete Verstoß gegen § 1365 BGB bzw. § 1375 BGB aus, um den vorzeitigen Zugewinnausgleich zu rechtfertigen. Eine solche Ausweitung hätte man sich auch bei Nr. 3 gewünscht. In der Praxis taucht nämlich immer wieder folgende Situation auf:

Zumeist ist der Unterhaltsschuldner ebenfalls Schuldner des Zugewinnausgleichsanspruches. Sehr oft werden nach der Trennung jedwede Unterhaltszahlungen mit fadenscheinigen Begründungen geradezu willkürlich abgelehnt. Macht der Unterhaltsgläubiger dann Zahlungsansprüche geltend und gewinnt er ein entsprechendes Verfahren, so entpuppt sich dies vielfach durch die Zugewinnausgleichsberechnung als veritable mathematische Nullnummer. Nach herrschender Meinung[63] und auch nach der Rechtsprechung des BGH[64] sind nämlich Unterhaltsansprüche aufseiten des Unterhaltsberechtigten Aktiva, aufseiten des Unterhaltspflichtigen Passiva. Sofern auf beiden Seiten sonstiges Vermögen besteht, werden die Ansprüche spätestens im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens nivelliert. Soweit es die Unterhaltsansprüche bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages angeht, sind letztlich derartige Verfahren wirtschaftlich völlig sinnlos.[65] Sie werden im Rahmen des Zugewinnausgleichs finanziell rückabgewickelt. Diese Ergebnisse tauchen vor allen Dingen deswegen auf, weil zunächst nur der tatsächliche Verstoß ausschlaggebend ist. Zusätzlich muss nach dem Gesetzestext die wirtschaftliche Verpflichtung über "längere Zeit" verletzt worden sein. Diese Norm wird sogar noch zu Lasten des Unterhaltsberechtigten restriktiv ausgelegt. Dem Unterhaltsschuldner wird zugutegehalten, dass er das Recht habe, ggf. auch im Instanzenwege die Unterhaltsfrage klären zu lassen.[66] Sofern man nicht schon an eine Erweiterung des § 1385 Nr. 3 BGB denkt, sollte zumindest im Rahmen des § 1381 BGB festgehalten werden, dass insbesondere in Fällen der Unterhaltsrückstände aus Kindes- und Ehegattenunterhalt die Vorschrift angewendet werden kann.[67] In diesem Zusammenhang verfängt insbesondere nicht das Argument, dass bei einer Unterhaltszahlung der Unterhaltsverpflichtete ja ggf. auch sein Konto entsprechend ins Soll bringen könnte. Damit rechtfertigt z.B. der BGH[68] seine Rechtsansicht, wonach die Unterhaltsrückstände in die Zugewinnausgleichsbilanz jedes der Ehepartner eingestellt werden könnten. Dieses Argument verkennt, dass der Unterhalt grundsätzlich nicht aus dem Vermögen, sondern aus dem laufenden Einkommen geschuldet wird.[69] Es besteht daher für den Unterhaltsschuldner überhaupt keine Veranlassung, Kredite aufzunehmen oder Kontenüberziehungen vorzunehmen.

 
Hinweis

Fazit: Es muss gesetzlich gewährleistet werden, dass Rückstände aus Kindes- und Ehegattenunterhalt, die ab Trennung bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages entstehen, nicht in die Zugewinnausgleichbilanz als Aktiva und Passiva eingestellt werden können.

[63] OLG Hamm FamRZ 2007, 1243 mit zustimmender Besprechung von Koch, FamRZ 2008, 1384; OLG Hamm FamRZ 1992, 679; OLG Celle FamRZ 1991, 944; MK/Koch, 6. Aufl., § 1378 Rn 11.
[65] Vgl. hierzu die Berechnungsbeispiele bei Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 5. Aufl., Rn 756 ff.
[66] Vgl. Schulz/Hauß, 6. Aufl., Rn 916; OLG Hamm FamRZ 2000, 228.
[67] A.A. Braeuer, Zugewinnausgleich, 2. Aufl., Rn 95 ff., der die Auffassung vertritt, dieses Ergebnis sei grds. nicht korrekturbedürftig. Daher lehnt er auch die hier erörterten Vorschläge ab. Ähnlich Büte, Zugewinnausgleich, Rn 209. Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, Rn 335 f. teilen zwar die Ansicht, dass das Ergebnis ungerecht sei. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn einerseits der Unterhaltsrückstand nicht beigetrieben werden könne, andererseits beim Zugewinn aber als Verbindlichkeit berücksichtigt werde. Gleichwohl scheinen sie das Ergebnis wegen der dem Zugewinn nun einmal innewohnenden "systemimmanenten Ungerechtigkeiten" in Kauf nehmen zu wollen.
[68] BGH FamRZ 2011, 28 m. Anm. Koch.
[69] Vgl. hierzu Kogel, FamRZ 2011, 779 ff.

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