a) Immer wieder wurde insbesondere bei den Deutschen Familiengerichtstagen die Ungerechtigkeit der Regelung des § 1374 BGB beklagt. Nach "altem" Recht gab es kein negatives Anfangsvermögen. Selbst bei einem Schuldenberg war dies lediglich mit 0 EUR anzusetzen. Die Folge war: Sofern ein Ehegatte während der Ehe Schulden abbaute und damit "Vermögen" bildete, war dies zugewinnausgleichsrechtlich ohne Bedeutung. Vergrößerte ein Ehepartner während der Ehe sein Vermögen, nahm der andere an diesem Wertzuwachs unbeschadet seiner eigenen Entschuldung teil. Die Güterrechtsform hat mit dieser Ungerechtigkeit aufgeräumt. Nunmehr gibt es auch negatives Anfangsvermögen. Je nach Falllage kann sich dies positiv oder negativ auswirken.
b) "Fiat justitia, pereat mundus". Hierunter könnte man den Versuch der Gesetzesperfektion einordnen.
aa) Zunächst: Die Fälle, in denen Ehepartner mit Schulden in die Ehe gehen, stellen jedenfalls nach Erfahrungen des Verfassers Raritäten dar. Zumeist gehen die Eheleute allenfalls mit Null EUR oder mit geringfügig positivem Vermögen in eine Ehe. Dies gilt jetzt erst recht, nachdem statistisch gesehen Ehen heute viel später geschlossen werden, als dies früher einmal der Fall war. Dass der zukünftige Ehegatte verschuldet ist, bleibt dem Partner in der Regel doch nicht verborgen. Der Irrglaube, dass im Zugewinn eine Sippenhaft herrscht, führt vielfach dazu, dass aus Angst vor der Übernahme von Verbindlichkeiten infolge einer Eheschließung die Flucht in die Gütertrennung gewählt wird. Sachverhalte mit negativem Anfangsvermögen waren und bleiben "Orchideen-Fälle".
bb) Die Neuregelung wurde – aus Sicht des Verfassers viel zu teuer – mit immensen Defiziten in der Handhabung von "normalen" Zugewinnausgleichsverfahren erkauft. Hierunter seien nur erwähnt:
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Da nunmehr auch das negative Anfangsvermögen auf den Zugewinnausgleich Einfluss nehmen kann, besteht eine zusätzliche Auskunftspflicht zum Anfangsvermögen. Sogar eine Wertermittlungspflicht besteht. Belege sind ebenfalls vorzulegen. Dies kann bedeuten, dass insgesamt sechs (auf jeder Seite drei) zusätzliche Ansprüche zur Auskunfts- und Belegstufe verfolgt werden können. Wenn die Ehe bereits zehn Jahre lang bestanden hat, fehlen oft Unterlagen. Belege können wegen des Ablaufs der Aufbewahrungsfristen nicht mehr beschafft werden. Der Streit um das Anfangsvermögen ist oftmals nur der Aufhänger, um eine unerwünschte Scheidung länger hinauszuzögern. Gerade mit Auskunftsansprüchen zum Anfangsvermögen lässt sich ein Zugewinnausgleichsverfahren ad infinitum hinauszögern, sofern der Zugewinn als Verbundantrag gewählt wurde. |
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Die Frage der Beweislast ist ungeklärt. Teilweise sollen die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast gelten. Überwiegend wird aber angenommen, dass derjenige, der sich auf negatives Anfangsvermögen beruft, hierfür darlegungs- und beweispflichtig sei. |
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In der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber kurzerhand angenommen, dass die Schuldbefreiung durch eine Insolvenz ebenso zu handhaben sei wie der "normale" Abbau von Schulden durch Rückzahlung. Ob dies tatsächlich so gesehen werden kann, erscheint aber mehr als problematisch. Hierbei stellt sich tatsächlich die Frage, ob nicht vielmehr eine wertende Betrachtung zugrunde zu legen ist. Ähnlich wie bei Forderungen, die zu Beginn der Ehe uneinbringlich sind, muss abgewogen werden, ob dies nicht im gleichen Umfange für Schulden zu gelten hat, sofern der Gang in die Insolvenz bereits bei Eheschließung ins Auge gefasst worden war. |
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Die Frage der Bewertung stellt sich insbesondere bei BAFöG-Schulden zu Beginn der Ehe, sofern die Eheleute damals noch in der Ausbildung waren. Auch hier muss gefragt werden, ob die BAFöG-Schulden in vollem Umfange mit den Nominalwerten in Ansatz zu bringen sind. Angesichts der Möglichkeiten einer Kürzung, z.B. wegen eines guten Studienabschlusses oder wegen eines "Rabatts" (bei Einmalrückzahlung) ist dies durchaus diskussionswürdig. |
Kurzum: Der Theoretiker mag zufrieden über das jetzige Konstrukt eines negativen Anfangsvermögens sein. Der Praktiker dürfte eher den erheblichen und vielfach völlig unnützen Aufwand für andere ("normale") Zugewinnverfahren im Fokus haben. Aus Sicht des Verfassers hat sich diese Regelung nicht bewährt. Einfacher wäre es gewesen, wenn ein entsprechender Hinweis in § 1381 BGB (grobe Unbilligkeit) aufgenommen worden wäre. Dann träfe zum einen denjenigen, der Zugewinn schuldet, die Darlegungs- und Beweislast für die grobe Unbilligkeit. Zum anderen hätte sich auf diese Weise das Auskunfts- und Belegproblem weitgehend erledigt.
Fazit: Es sollte überprüft werden, ob die Regelungen zu einem negativen Anfangsvermögen tatsächlich die erhofften Verbesserungen gebracht haben und ob nicht die hierdurch verursachten Nachteile überwiegen.