Gemessen am historischen Hauptmovens für einen wirksamen Eheschutz in Art. 6 Abs. 1 GG, eine – radikalsozialistischen Kräften seinerzeit unterstellte – Abschaffung der Ehe mit einfachgesetzlicher Mehrheit zu verhindern, zeigt die heutige Diskussion um die Ehe für Alle“ doch vor allem, dass die Ehe – ungeachtet hoher Scheidungsraten und einer breiten Vielfalt gesellschaftlich akzeptierter alternativer Lebensentwürfe – ein Erfolgsfall ist. Gleichgeschlechtliche Paare haben bezeichnenderweise gerade für die Öffnung der Ehe gekämpft, nicht für deren Abschaffung. Insoweit haben sich eher neue Solidargemeinschaften ergeben, deren Interessen am wirksamen Schutz der Ehe gleichgerichtet sind.
Zentrale Leistung des Familienrechts ist es, Höchstpersönlichem einen formalen Rahmen zu geben, der an die Stelle sozialer Rollenerwartungen formalisierte Rechte und Pflichten setzt und institutionelle Stabilität vermittelt. Die Öffnung der Ehe entspricht genau diesem Ziel. Hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Lebensführung sowie der Kinderziehung in der Partnerschaft bestehen für gleich- wie für verschiedengeschlechtliche Ehepaare die identischen strukturellen Schutzbedürfnisse, was das BVerfG zutreffend schon zum LPartG ausgeführt hat und erst recht für eine nicht mehr an Geschlechtsidentitäten gebundene Ehe gilt. Plausibel erklärbar ist ein verfassungsrechtlicher Schutzbedarf für die eheliche Lebensführung letztlich allein mit Argumenten des wirksamen Persönlichkeitsschutzes, nicht aber mit einer Stabilisierung der Verschiedengeschlechtlichkeit als Regelform dauerhaften Zusammenlebens. Die bisweilen angeführte Potentialität der Ehe in Bezug auf eine Familie führt zu keinen strukturellen Unterschieden im Schutzbedarf: Der Grundrechtsschutz von Ehen, die gewollt oder ungewollt kinderlos bleiben, stand nie ernsthaft in Frage; auch gleichgeschlechtliche Paare erziehen Kinder in gemeinsamer Verantwortung, sind hierbei aber gegen ungerechtfertigten staatlichen Zugriff zu schützen; und eine ökonomische Verzweckung der Ehe als gesellschaftliche Reproduktionsressource liefe dem von Anfang an primär persönlichkeitsschützenden Gehalt des Art. 6 Abs. 1 GG eklatant zuwider. Finden in der "Ehe für Alle" damit letztlich nur gleiche grundrechtliche Schutzlagen unter dem Dach eines nunmehr einheitlichen Instituts zusammen, ist eine Funktionsgefährdung der Ehe nicht plausibel begründbar. An die Stelle sexueller Identität und ihrer Tendenz zur fragmentierenden, essentialistisch-identitären Gruppenbildung tritt der rechtlich formalisierte Schutz konkreter Dauerbeziehungen und ihrer sozialen Stabilisierungsleistungen im Interesse einer höchstpersönlichen Freiheit zur besonderen Gemeinschaft. Die Öffnung der Ehe bewirkt so gesehen für die Schutzfunktionen des Grundrechts eher eine Funktionsverstärkung, jedenfalls keine Funktionsstörung.