a) Nach der Übergangsvorschrift § 36 Nr. 1/2 EGZPO können "Umstände, die vor (Inkrafttreten der Reform) entstanden sind und durch die … Reform erheblich geworden sind", ohne Beschränkung durch die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden, sofern hierdurch eine "wesentliche Änderung" des Unterhaltsbetrags eintritt, die dem anderen Teil unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes "zumutbar" ist.
b) Trotz dieses scheinbar klaren Wortlauts akzeptiert man keineswegs einhellig die mit der Unterhaltsrechtsreform erfolgte Gesetzesänderung als zulässigen Abänderungsgrund, sondern erkennt in Fällen wie o.g. Beispiel Präklusion, sofern sich an den dem Unterhaltstitel zugrunde liegenden Tatsachen nichts geändert hat. Begründung: In Wahrheit seien Umstände bzw. Kriterien wie "ehebedingte Nachteile" schon vor der Reform "erheblich" gewesen, die Reform hätte insoweit nichts grundlegend Neues gebracht.
Daher sei die Befristung schon nach altem Recht "geboten" gewesen (und daher "fehlerhaft" unterblieben), so dass eine Abänderungsklage nicht eröffnet sei. Die Prämisse ("insoweit nichts Neues") wird nicht begründet. Auch der Hinweis, dass die Präklusionssperre des § 36 I Nr. 2 EGZPO denknotwendigerweise eine schon zuvor eingetretene Präklusion nicht mehr rückgängig machen könne, hilft nicht weiter. Denn ob eine schon früher auszusprechende oder zu vereinbarende Befristung "geboten" war und somit bereits Präklusion vorliegt, ist ja gerade das, was fraglich ist. Abänderungsklagen, die sich lediglich auf die Änderung der Rechtslage als solche, i. Ü. aber auf Alttatsachen stützten, sind nach dieser Ansicht folglich regelmäßig präkludiert – mit folgenden Ausnahmen:
- Fälle des Krankenunterhalts, da dieser auf Grund der Reform nunmehr (auch ohne Änderung von Tatsachengrundlagen) erstmalig befristbar ist;
- Fälle der Rangänderung auf Grund neuen Rechts;
- Fälle des § 1570 BGB n. F: Wenn in der Ausgangsentscheidung beim Unterhaltsberechtigten mit Blick auf die Kindesbetreuung ein zu geringes fiktives Einkommen unterstellt bzw. ein Teil des Einkommens als überobligatorisch aufgefasst wurde und dies wegen der Neufassung des § 1570 BGB – jetzt grundsätzlich Erwerbsobliegenheit ab dem 3. Geburtstag des zu betreuenden Kindes – nicht mehr aufrechtzuerhalten scheint.
c) Nach anderer und hier vertretener Auffassung reicht für die Zulässigkeit von Abänderungsklagen die bloße Änderung der Rechtslage auf Grund der Reform aus, soweit die für den Unterhaltsanspruch ausschlaggebenden Umstände eine neue rechtliche Wertung bzw. Bedeutung oder "Stellenwert" erlangt haben, was insbesondere bei den – sogar erstmals im Gesetz erwähnten – "ehebedingten Nachteilen" der Fall ist.
aa) Zum einen widerspricht die zuerst genannte Auffassung dem Willen des Reform-Gesetzgebers, wie er in der Gesetzesbegründung zu § 36 Nr. 1 /2 EGZPO zum Ausdruck kommt:
"Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wird dabei nicht vorausgesetzt. In Anlehnung an die einhellige Auffassung von Rechtsprechung und Literatur, derzufolge bei der Abänderungsklage nach § 323 ZPO eine Änderung der Gesetzgebung die Anpassung eines Unterhaltstitels rechtfertigen kann, genügt auch hier die Änderung allein der Rechtslage (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO [25. Aufl. 2005], § 323 Rn 32). Denn das reformierte Recht bringt es mit sich, dass Umstände, die bereits im Zeitpunkt der ersten Unterhaltsregelung vorlagen, wie beispielsweise die Dauer der Ehe oder eine frühere Erwerbstätigkeit, eine neue Bedeutung erlangen und für die Entscheidung, ob und inwieweit die Erstregelung abgeändert wird, von Belang sind."
Der Gesetzgeber betrachtet also offensichtlich seine Gesetzesänderung durchaus in mancherlei Hinsicht als "erheblich" und weist zudem explizit darauf hin, dass für Abänderungsklagen die Rechtsänderung genügt, mithin keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse erforderlich ist. Eindeutigem gesetzgeberischen Willen ist nicht nur "aus pragmatischen Gründen" zu folgen.
bb) Aber auch die Synopse alter und neugefasster Normen zeigt, dass im nachehelichen Unterhaltsrecht "Grundsatz und Ausnahme umgekehrt" wurden und schon wegen der mit Neufassung der Generalklausel § 1569 BGB eingetretenen verschärften Anforderungen an die Selbstverantwortung des Unterhaltsberechtigten eine erhebliche Änderung der Rechtslage eintrat. Diese war bis zur BGH-Entscheidung vom 12.4.2006 nicht vorhersehbar, was der Annahme einer zuvor eingetretenen Präklusion – insbesondere bei Vergleichen – nach Treu und Glauben widerstreitet.
cc) Schließlich bleibt die Gegenansicht die Antwort auf die entscheidende Frage schuldig, in welchen denkbaren Fallkonstellationen vor der Reform bzw. vor der BGH-Entscheidung vom 12.4.2006 bereits irreparabel Präklusion eingetreten sein soll. Zumindest bei der hier thematisierten, häufig auftretenden Konstellation erscheint eine vorherige Präklusion nicht begründbar.