Damit bleibt lediglich die Frage, wie im Mangelfall der vorrangige Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB vom nachrangigen Aufstockungsunterhalt abzugrenzen ist. Es wird empfohlen, zur Vereinfachung des Unterhaltsrechts die Unterscheidung zwischen vorrangigem Betreuungsunterhalt und nachrangigem Aufstockungsunterhalt aufzugeben. Tatsächlich kann dieser Unterschied auch nur in engen Grenzen bedeutsam werden. Der Rang wird nämlich nur im Mangelfall relevant. Der Mangelfall aber setzt voraus, dass dem Pflichtigen bei Erfüllung aller Unterhaltspflichten weniger als der Ehegattenselbstbehalt von 1000 EUR bleibt.
Beispiel 1 (ohne Mangel):
M verdient 3050 EUR und ist seiner ersten Frau F1 unterhaltspflichtig, welche das 6-jährige gemeinsame Kind K1 betreut und einen 400 EUR-Job annehmen müsste, einen solchen aber auf dem örtlichen Arbeitsmarkt nicht findet. Da eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit nicht vorliegt, ist dieses mögliche Einkommen nicht zu berücksichtigen (s.o. III.). Seine zweite Frau F2, von der er getrennt lebt, ist ebenfalls unterhaltsberechtigt, weil sie ein 2-jähriges Kind K2 betreut. Es sei unterstellt, bei voller Erwerbsfähigkeit könne F1 1000 EUR verdienen, F2 aber nur 600 EUR.
Der Bedarf der Kinder beträgt nach Abstufung wegen 4 Unterhaltsberechtigten:
K1 nach DT 4/2: 371,00 – 77,00 |
= 294,00 EUR |
K2 nach DT 4/1: 321,00 – 77,00 |
= 244,00 EUR. |
Bedarf von F1 und F2 gem. Drittelrechnung: 3.050 – 294 – 244 |
= 2.512,00 EUR |
abzüglich Erwerbsbonus (10 %) |
= –251,00 EUR |
bleibt |
2.261,00 EUR |
Drittelbedarf 2261 / 3 |
= 754,00 EUR. |
Der Betreuungsunterhalt von F2 beträgt wegen des geringen fiktiven Einkommens im Falle der Erwerbstätigkeit zwar nur 600 EUR, weitere 154 EUR wären als nachrangiger Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II BGB zu qualifizieren. Jedoch liegt kein Mangelfall vor, denn M verbleiben 3.050 – 294 – 244 – 754 – 754 = 1004 EUR und damit mehr als der Ehegattenselbstbehalt von 1000 EUR. Daher wirkt sich der Vorrang von F1, welche keinen Aufstockungsunterhalt benötigt, nicht aus.
Das geringere fiktive Einkommen von F2 hat (bei Einkommenslosigkeit der beiden Ehegatten) also nur Bedeutung, wenn der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen ca. 750 EUR unterschreitet. Der eigentliche Betreuungsunterhalt müsste also geringer sein als 750 EUR (im Beispiel: 600 EUR).