Einführung
Nach § 1609 Nr. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch eines Elternteils, welcher auf Kindesbetreuung beruht, vorrangig gegenüber einem Anspruch auf Ehegattenunterhalt, welcher weder durch lange Ehe noch durch Kindesbetreuung privilegiert ist. Die Kindesbetreuung führt deshalb zu einem Unterhaltsanspruch, weil sie eine sonst mögliche Erwerbstätigkeit hindert. Daraus ergibt sich eine Begrenzung des Anspruchs auf den Nachteil, den die Kindesbetreuung zur Folge hat. Der nacheheliche Unterhalt stellt seiner Höhe nach aber nicht auf diesen Nachteil ab, sondern auf den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Wenn der Kinder betreuende Elternteil diesen Bedarf nicht decken kann, so kann das, neben der Kinderbetreuung auch andere Ursachen haben: Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit, berechtigte Ausbildung oder einfach die Unmöglichkeit, soviel zu verdienen, wie der unterhaltspflichtige Ehegatte. Daraus können sich verschiedene Gründe für einen Anspruch auf Ehegattenunterhalt (Unterhalt wegen Alters, wegen Krankheit, Ausbildungsunterhalt, Aufstockungsunterhalt) ergeben, welche aber als solche alle keinen nach § 1609 Nr. 2 BGB privilegierten Anspruch begründen. Nun können mehrere dieser Gründe gleichzeitig vorhanden sein. Es fragt sich dann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Unterhaltsanspruch nach § 1609 Nr. 2 privilegiert ist. Das soll in diesem Aufsatz geklärt werden.
I. Einheit des Anspruchs und Konkurrenz der Anspruchsgründe
Der Anspruch auf Scheidungsunterhalt nach § 1569 BGB ist prozessual nur ein einziger. Eine Entscheidung erwirkt Rechtskraft für alle Anspruchsgründe. Die Anspruchsgrundlagen der §§ 1570 bis 1576 BGB können aber konkurrieren. Diese Konkurrenz bietet keine Probleme, soweit die Rechtsfolgen identisch sind. Die auf Ansprüche nach § 1573 BGB beschränkte Möglichkeit der zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs hat den BGH veranlasst, in Fällen der Teilerwerbstätigkeit isoliert für den auf § 1573 II BGB gestützten Anspruchsteil die zeitliche Begrenzung zuzulassen und damit den einheitlichen Anspruch aufzuspalten. Dieser Grund für die Differenzierung der Ansprüche ist mit der Einführung des für alle Ansprüche geltenden § 1578b BGB weggefallen. Ein Großteil der Literatur wiederum geht von Anfang an von (materiell) verschiedenen Ansprüchen aus, bei denen Anspruchskonkurrenz besteht.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Konkurrenz des privilegierten Anspruchs auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB mit anderen Unterhaltansprüchen nach §§ 1571 ff. BGB. Neben der Rechtsprechung des BGH zur Konkurrenz des Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II BGB mit Betreuungs- und Krankheitsunterhalt wird in der Literatur vor allem die Konkurrenz des Betreuungsunterhalts mit dem Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB oder dem Erwerbslosigkeitsunterhalt nach § 1573 I BGB diskutiert.
II. Bemessungsgrundsätze
Für die Frage der Abgrenzung der Unterhaltsteile ist bedeutsam, dass die Ansprüche verschieden berechnet werden:
1. Den Aufstockungsgrundunterhalt definiert der Gesetzgeber als Restbedarf bezogen auf die ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 BGB), während
2. die anderen Ansprüche auf unterschiedliche Gründe, welche aber jeweils die Erwerbstätigkeit hindern, abstellen. Damit machen sie zum Maßstab die Höhe eines fiktiven Erwerbseinkommens, welches nämlich gegeben wäre, wenn das jeweilige Hindernis nicht bestünde. Auch für diese anderen Ansprüche haben allerdings die ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 BGB Bedeutung, nämlich wegen des zusätzlichen Merkmals der Bedürftigkeit nach § 1577 BGB, welches den Anspruch nach § 1570 ff. BGB auf den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen beschränkt. In diesen Fällen bewirkt der Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse nicht wie nach § 1573 II BGB eine Erhöhung, sondern eine Herabsetzung des Unterhalts nach §§ 1570 ff. BGB. § 1573 II BGB ist damit das Spiegelbild des § 1577 I BGB und umgekehrt.
Es besteht deshalb immer ein doppelter Maßstab,
1. der aus dem tatsächlichen Einkommen beider Ehepartner hergeleitete Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen und
2. das den Grund des besonderen Anspruchs bildende fiktive Erwerbseinkommen.
III. Bemessung nach dem fiktiven Erwerbseinkommen
Unterschiedliche Gründe können die Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten verhindern. Dabei können auch mehrere Gründe dieselbe Folge haben. So kann z.B. wegen Krankheit eine Erwerbstätigkeit nicht möglich sein. Gleichwohl werden Kinder betreut. Die Kindesbetreuung allein würde ebenfalls die Erwerbstätigkeit hindern. Beide Anspruchsgrundlagen sind dann ku...