Als Hüter von Traditionen fungiert das Gericht allerdings beim Ehebegriff, den es im Anschluss an kirchliche und staatliche Gesetzgebung der frühen Neuzeit strikt auf die amtlich registrierte Ehe einengt, näherhin auf die "bürgerliche", vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe. Dem Grundgesetz liegt, so sagt das Gericht, das Bild der "verweltlichten" bürgerlich-rechtlichen Ehe zugrunde. Die Ehe ist ein öffentliches Rechtsverhältnis in dem Sinne, dass die Tatsache der Eheschließung für die Allgemeinheit erkennbar ist, die Eheschließung selbst unter amtlicher Mitwirkung erfolgt und der Bestand der Ehe amtlich registriert wird.
Das ist nicht selbstverständlich. Die Ehe ist historisch gesehen eine vorstaatliche Einrichtung. So manche Paarbeziehung, die nicht vor dem Standesamt eingegangen ist, kann durchaus einem materiellen Ehebegriff entsprechen, von den kirchlich, aber nicht standesamtlich geschlossenen Ehen ganz zu schweigen. Erst die Einengung des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs auf die Zivilehe bedingt die strikte Trennung von "ehelichen" und "nichtehelichen" Lebensgemeinschaften, die das deutsche Recht durchzieht. Die Rechtslage der informellen Paarbeziehung verbleibt somit in einem verfassungsrechtlich diffusen Licht. Das BVerfG hat dazu einerseits ausgesagt, dass bei länger dauerndem Konkubinat kein Familienverband im Rechtssinne entstehe, andererseits, dass der Staat nicht verpflichtet sei, nichteheliche Gemeinschaften zu benachteiligen oder ihnen jedwede rechtliche Anerkennung zu versagen. Das Gericht begreift das ehelose Zusammenleben als Wahrnehmung der grundrechtlichen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Wie weit dieser Ansatz trägt, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls ermöglicht es der gewählte Ehebegriff dem Gericht, Differenzierungen in der rechtlichen Behandlung ehelicher und eheloser Gemeinschaften zu rechtfertigen.
Traditionsbehaftet ist auch die Einschränkung des Ehebegriffs auf die verschiedengeschlechtliche Paarbeziehung. Hier hat das Gericht allerdings, indem es die eine Türe verschloss, eine andere weit geöffnet. Das BVerfG hatte die Einführung einer Rechtsform für homosexuelle Lebenspartnerschaften nicht gefordert, vielmehr nur in einem obiter dictum angedeutet, dass wegen vielfältiger Behinderungen der privaten Lebensgestaltung sich aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG eine Verpflichtung des Gesetzgebers ergeben könnte, gleichgeschlechtlichen Partnern eine rechtliche Absicherung ihrer Lebensgemeinschaft zu ermöglichen. Ein zwingendes Postulat nach Einführung einer der Ehe ähnlichen Rechtsform für Homosexuelle ergab sich daraus nicht.
Deshalb versuchte der Gesetzgeber, als er im Jahre 2001 das Lebenspartnerschaftsgesetz schuf, durch möglichst viele Abweichungen vom Eherecht, und wären sie auch nur künstlich-terminologischer Art, den Eindruck zu verschleiern, er wolle die "Homo-Ehe" installieren. Das BVerfG, alsbald zur Überprüfung des neuen Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft gerufen, zerstreute dann aber die Befürchtungen des Gesetzgebers und unterstützte dessen eigentliche Absichten. Indem es das viel diskutierte Gebot, wonach Regelungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften einen bestimmten Mindestabstand vom Eherecht halten müssten, verwarf, machte es den Weg zu einer ehrlicheren Gesetzgebung frei: Diese reagierte umgehend mit einer Novellierung, welche die eingetragene Lebenspartnerschaft weitestgehend identisch mit dem Eherecht ausgestaltete.
Es ist dies ein Beispiel für die vorantreibende Funktion, die das Verfassungsgericht ausüben kann, indem es vorsichtig lancierte Gesetze von ihren verfassungsrechtlichen Risiken befreit und damit zur Fortsetzung einer bestimmten rechtspolitischen Linie ermuntert.
Ein anderes Beispiel für eine das Gesetz positiv begleitende Verfassungsrechtsprechung lässt sich auf dem Gebiet des Ehescheidungsrechts beobachten: Bei allen Korrekturen, die das Verfassungsgericht am Recht der Scheidungsgründe wie der Scheidungsfolgen vorgenommen hat, hat es gleichwohl die grundsätzlichen Linien des Ersten Eherechtsreformgesetzes, den Übergang vom Verschuldensprinzip zum Zerrüttungsprinzip und die Gestaltung der Scheidungsfolgen aus dem Grundsatz nachwirkender Verantwortung der Ehegatten füreinander gebilligt und die Fortentwicklung des deutschen Eherechts auf der Basis des genannten Reformgesetzes gesichert.