1.
Nacheheliche Bedürfnislagen ergeben sich vor allem aus dem Umstand, dass ein Ehegatte, der ein Kind oder mehrere Kinder betreut – in der Realität zumeist die Ehefrau – in vielen Fällen mehr oder weniger lange von einer Erwerbstätigkeit absieht, um sich der Versorgung und Betreuung der Kinder widmen zu können. Ein solches Aussetzen im Erwerbsleben kann zu Problemen beim Wiedereinstieg in den Beruf führen, und es kann zudem berufliche und finanzielle Nachteile zur Folge haben. Die Situation verschärft sich im Falle einer Trennung. Dann soll der nunmehr allein erziehende Elternteil für seine eigene Existenz sorgen, zugleich aber die Aufgabe der Versorgung, Erziehung und Betreuung von Kindern verantwortungsbewusst wahrnehmen, in vielen Fällen sicher ein Spagat. Zu fragen war deshalb, bei welchem Alter eines Kindes erwartet werden kann, dass die Funktionen des Selbstversorgers und des Alleinerziehenden gleichzeitig bewältigt werden können. Der Gesetzgeber hat sich – in Anlehnung an die Regelung des § 1615 l BGB und die mit Rechtsanspruch gewährten Kinderbetreuungsmöglichkeiten – dafür entschieden, einen Basisunterhalt für mindestens drei Jahre nach der Geburt eines Kindes vorzusehen. Eine Erwerbsobliegenheit kommt vor der Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes nicht in Betracht. Das heißt: Der betreuende Elternteil kann in dieser Zeit frei entscheiden, ob er das Kind oder die Kinder vollständig selbst versorgt, auch wenn er tatsächlich die Möglichkeit hätte, einem Erwerb nachzugehen, sei es, weil die Arbeitsbedingungen besonders günstig wären, sei es wegen der Möglichkeit, sich von der Kinderbetreuung teilweise entlasten zu lassen.
2.
a) Aber was gilt danach? Wie ist der nunmehr für diese Zeit vorgegebene Billigkeitsanspruch in der Praxis umzusetzen? Sicher ist, das sagt die Gesetzesbegründung ausdrücklich, dass anstelle der sehr schematisierenden Betrachtungsweise anhand des tradierten Altersphasenmodells stärker auf den konkreten Einzelfall und tatsächlich bestehende, verlässliche Möglichkeiten der Kinderbetreuung abzustellen ist. Allerdings sind Unterhaltsstreitigkeiten Massengeschäft, weshalb Versuche verständlich erscheinen, Kriterien für die Beurteilung des Billigkeitsanspruchs zu entwickeln und pauschalierende Fallgruppen zu bilden. Zwar hat ungeachtet dessen die Mehrheit der Oberlandesgerichte dem auf eine Einzelfallbetrachtung gerichteten Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen und in den Leitlinien entsprechende Formulierungen aufgenommen. Aber es gibt auch Abweichungen. So heißt es in den Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm unter anderem: "Die Mehrheit der Senate geht davon aus, dass bei Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit neben der Betreuung eines unter 10 Jahre alten Kindes nur selten in Betracht kommt und auch danach die Umstände des Einzelfalls entgegenstehen können." Modifizierte zeitliche Raster enthalten auch die Leitlinien der OLG Schleswig und Frankfurt am Main.
b) Der XII. Zivilsenat hat derartigen – in der Literatur ebenfalls vertretenen – Versuchen einer altersorientierten Schematisierung eine klare Absage erteilt: Es sei nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht haltbar, eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein vom Alter eines Kindes abhängig zu machen.
Wie ist also vorzugehen? Ausgangspunkt ist die vom Gesetz vorgegebene Prüfungsreihenfolge und die in die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses aufgenommene Aussage, die Neuregelung verlange keineswegs einen abrupten, übergangslosen Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit, im Interesse des Kindeswohls werde vielmehr auch künftig ein gestufter, an den Kriterien von § 1570 Abs. 1 BGB orientierter Übergang möglich sein.
c) Nach dem Willen des Gesetzgebers sind im Rahmen der Billigkeitsentscheidung kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Da den kindbezogenen Gründen das stärkste Gewicht zukommt, was sich sowohl aus dem Gesichtspunkt der Stärkung des Kindeswohls als auch aus der Gesetzessystematik begründen lässt, sind sie vorrangig zu prüfen. Dabei ist nach der Neufassung des § 1570 BGB wesentlich, dass das Gesetz den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben hat; die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung sind zu berücksichtigen.
Zu fragen ist deshalb zunächst, ob, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen eine Betreuungsmöglichkeit in einer kindgerechten Einrichtung besteht. Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer solchen Betreuungsmöglichkeit endet erst dort, wo sie mit dem Wohl des Kindes nicht mehr zu vereinbaren ist. Bei öffentlichen Einrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten wird das in der Regel nicht der Fall sein. Die Belange des Kindes können aber dann berührt sein, wenn es in besonderem Maße betreuungsbedürftig ist. Die Beschlussempfehlung des Rechtssausschusses nennt hierzu den Fall, dass ein Kind unter der Trennung besonders leidet und deshal...