Noch einmal: Keine Anknüpfung allein an das Alter des Kindes
Der BGH muss in dieser Entscheidung – zum wiederholten Male – deutlich machen, dass beim Betreuungsunterhalt gem. § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB (ebenso wie bei § 1615 l BGB) die Anknüpfung allein an das Alter des Kindes in Anlehnung an das frühere Altersphasenmodell nicht mehr mit dem Gesetz vereinbar ist.
Damit wird den immer noch vertretenen gegenteiligen Tendenzen in der Literatur und der Rechtsprechung erneut eine deutliche Absage erteilt.
Der anwaltliche Berater muss auf jeden Fall zu allen maßgeblichen Punkten ausreichenden Sachvortrag in das gerichtliche Verfahren einbringen. Darzulegen ist vor allem der objektive zeitliche Rahmen der zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeit, der auch den zeitlichen Rahmen für die – mögliche – Erwerbstätigkeit der Mutter vorgibt. Soll eine nur eingeschränkte Erwerbsobliegenheit durchgesetzt werden, müssen auch die dazu erforderlichen besonderen Gründe (Kindeswohl, Vertrauensschutz) detailliert dargelegt werden. Denn den unterhaltsberechtigten Elternteil trifft die volle Darlegungs- und Beweislast für alle Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus.
Qualität der außerhäuslichen Betreuung
Das KG hatte seine Entscheidung u.a. mit dem Hinweis begründet, eine Hortbetreuung werde dem Förderungsgrundsatz nicht gerecht, weil gerade die Grundschulen in Berlin ihren Ausbildungspflichten nicht mehr in ausreichendem Maße nachkämen.
Hier stellt sich in der Praxis die Frage nach der Qualität der außerhäuslichen Betreuung und den sich daraus ergebenden unterhaltsrechtlichen Auswirkungen.
Eine solche Frage kann sich z.B. beim Wechsel des Kindes in die weiterführende Schule stellen, wenn einerseits die überlaufene Ganztagsschule mit hohem Anteil an Kindern aus zerrütteten Familienverhältnissen zur Verfügung steht, andererseits das Elite-Gymnasium ohne Nachmittagsbetreuung. Oder zum Beginn des Kindergartenalters kommt sowohl der konfessionelle Kindergarten mit begrenzten Öffnungszeiten als auch der weltliche Kindergarten mit umfassender Ganztagsbetreuung in Betracht. Entscheidet dies ein Elternteil – gestützt auf sein Elternrecht – autark und ungeachtet der finanziellen Auswirkungen für die Unterhaltspflicht des anderen Elternteils? Bindet eine solche Festlegung das Gericht im Unterhaltsverfahren?
Zwar ist der betreuende Elternteil frei in seiner Entscheidung, wie er das Kind betreuen will – ebenso wie kein arbeitsloser Unterhaltspflichtiger zur Arbeit gezwungen wird. Unterhaltsrechtlich ist diese Entscheidung aber nicht bindend – hier gilt für den Arbeitslosen der Maßstab der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeit, während es beim betreuenden Elternteil allein auf die Betreuungsmöglichkeit ankommt.
Maßgebliche objektive Anknüpfungspunkte für eine solche Abwägung – bei der die Interessen des Kindes entscheidende Bedeutung haben sollten – könnten sein:
- die bisherige – auch weltanschauliche – Einstellung der Eltern und die sich daraus manifestierte Erziehungsrichtung,
- die Vorbildung der Eltern (Argument: das Kind muss die gleichen Chancen bekommen wie seine Eltern – soweit dies nicht aus finanziellen Gründen unmöglich ist),
- der für evtl. ältere Geschwister gewählte Bildungsweg,
- beim Wechsel auf die weiterführende Schule auch die Empfehlung der Grundschule.
Welche Tücken sich bei der Frage der Qualität der außerhäuslichen Betreuung im konkreten Fall auftun können, zeigt anschaulich die Entscheidung des OLG Hamm v. 3.7.2009 – 7 UF 300/08. Das OLG führt darin aus, es könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach der Rechtsprechung des BGH die öffentlichen Betreuungseinrichtungen für wesentlich jüngere Kinder "in der Regel als kindgerecht angesehen werden können"; dies könne aber nicht in gleichem Maße für ältere, die weiterführende Schule besuchende Kinder gelten. Weiter stellt das OLG darauf ab, dass die nachmittägliche Hausaufgabenbetreuung durch Schüler und Schülerinnen der Oberstufe erfolge, die lediglich eine Beaufsichtigung der Hausaufgaben bedeute, nicht jedoch eine konkrete Hilfestellung. Beanstandet wird weiter, dass die Kinder nachmittags in der Schule lediglich "verwahrt" würden, während die Mutter bei der nachschulischen Betreuung Hilfe bei der Verarbeitung des Lernstoffes sowohl in psychischer Hinsicht als auch in Form konkreter Hausaufgabenhilfe geben könne.
Zwar liest sich diese Argumentation durchaus schlüssig. Nachdenklich stimmen allerdings die Konsequenzen, die sich aus diesen Argumenten ableiten lassen könnten:
- Wenn bei einem jüngeren Kind eine zeitlich umfangreiche außerhäusliche Betreuung zumutbar ist, muss die Mutter in weiterem Umfang arbeiten als bei einem älteren Kind – führt dies de facto zu einem umgekehrten Altersphasenmodell?
- Wenn die Mutter auf Grund ihres Bildungsstandes gar nicht in der Lage ist, ihrem älteren Kind selbst konkret bei den Schulaufgaben zu helfen, müsste sie ebenfalls in weiterem Umfang arbeiten – führt dies nicht zu e...