ZPO § 323 Abs. 2 a.F.; BGB § 1578 Abs. 1 a.F. § 1578b Abs. 1 S. 3
Leitsatz
Zur Herabsetzung eines vor der Unterhaltsrechtsreform titulierten oder vereinbarten Unterhaltsanspruchs nach dem Eintritt des Unterhaltsberechtigten in das Rentenalter (Rn 23, 24, 25, 28, 29, 30).
BGH, Urt. v. 29.6.2011 – XII ZR 157/09 (OLG Hamburg, AG Hamburg)
1 Tatbestand:
[1] Die Parteien streiten um die Abänderung eines Vergleichs über nachehelichen Unterhalt. Der 1942 geborene Kläger (Ehemann) und die 1941 geborene Beklagte (Ehefrau) schlossen 1968 die Ehe, die kinderlos blieb. Der Ehemann war als Arzt, später als Chefarzt und Medizinaldirektor tätig. Seit 2004 befand er sich im Vorruhestand und ist seit September 2007 endgültig in Pension. Die Ehefrau hatte vor der Ehe eine Ausbildung zur milchwirtschaftlich-technischen Assistentin absolviert und war bis zum 15.10.1970 berufstätig. In der Folgezeit führte sie den kinderlosen Haushalt bis zur Trennung der Parteien im Jahre 1980. Von Juni 1981 bis Dezember 1983 war sie für 20 Wochenstunden als technische Assistentin nach der Vergütungsgruppe BAT V b beschäftigt. Im Oktober 1983 gebar sie eine Tochter, deren Ehelichkeit der Ehemann erfolgreich anfocht. Nach der Geburt war die Ehefrau nicht mehr berufstätig, sondern kümmerte sich um die Erziehung ihrer Tochter.
[2] Das Familiengericht hat die Ehe durch Urt. v. 20.6.1985 rechtskräftig geschieden. Mit einem am selben Tag vor dem Familiengericht geschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Ehemann, an die Ehefrau nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 3.500 DM (= 1.789,52 EUR) zu zahlen. Ferner erklärten sich die Parteien einig, dass bei einer Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO a.F. eigenes Einkommen der Ehefrau für die Dauer von fünf Jahren nach Rechtskraft der Scheidung unberücksichtigt bleiben solle.
[3] Die Ehefrau wohnt miet- und schuldendienstfrei in einer Eigentumswohnung, die sie im Wesentlichen aus Zugewinnausgleichsmitteln erwarb.
[4] Eine vom Ehemann im Jahre 1992 erhobene Abänderungsklage und die von der Ehefrau erhobene Abänderungswiderklage hatte das Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 21.7.1994 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass es bei der bisherigen Unterhaltsverpflichtung von monatlich 3.500 DM verbleibe. Zu dem Zeitpunkt hatte der Ehemann ein um Renten- und Krankenversicherungsbeiträge bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 22.350 DM (= 11.427,12 EUR).
[5] Seit dem 1.8.2006 bezieht die Ehefrau eine Altersrente von monatlich 941,85 EUR und seit April 2007 von monatlich 938,85 EUR.
[6] Im September 2006 hat der Ehemann die vorliegende Abänderungsklage erhoben, zunächst mit dem Ziel einer Reduzierung seiner Unterhaltsverpflichtung auf 503 EUR ab August 2006. Die Klage ist vor dem Familiengericht erfolglos geblieben. Mit seiner Berufung hat der Ehemann eine Abänderung des Unterhaltsvergleichs dahin verfolgt, dass er seit August 2006 keinen Unterhalt mehr schulde, hilfsweise den Unterhalt bis Dezember 2007 zu befristen. Außerdem hat er in der Berufungsinstanz für den Fall seines Obsiegens mit dem Abänderungsverlangen Eventualklage auf Rückzahlung der seit August 2006 überzahlten Unterhaltsbeträge erhoben. Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsvergleich dahin abgeändert, dass der Ehemann ab August 2006 noch einen monatlichen Unterhalt von 584 EUR zu zahlen habe, und die Ehefrau zur Rückzahlung der danach überzahlten Beträge in Höhe von 29.571,92 EUR nebst Zinsen an den Ehemann verurteilt. Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der zugelassenen Revision, mit der der Ehemann sein Berufungsbegehren auf Wegfall der Unterhaltspflicht, hilfsweise eine Befristung weiterverfolgt und die Ehefrau eine Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils begehrt.
2 Aus den Gründen:
[7] Von den beiderseits zulässigen Revisionen hat nur diejenige des Ehemanns Erfolg.
I. [8] Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Ehemann könne eine Abänderung des am 20.6.1985 geschlossenen Unterhaltsvergleichs verlangen, da dieser an die nach dem 21.7.1994 eingetretenen Umstände anzupassen sei. Das Abänderungsbegehren sei allerdings nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die es gestützt werde, nach der mündlichen Verhandlung im früheren Abänderungsverfahren entstanden seien (§ 323 Abs. 2 ZPO a.F.).
[9] Ab August 2006 sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dadurch eingetreten, dass der Ehefrau nunmehr ein höheres (Renten-)Einkommen von 941,85 EUR bzw. ab April 2007 von 938,85 EUR zuzurechnen sei anstelle von 656,76 EUR, die ihr in dem vorangegangenen Abänderungsverfahren fiktiv zugerechnet worden seien. Zusätzlich könne der Ehemann sein Abänderungsverlangen darauf stützen, dass der Ehefrau ein fiktives weiteres Einkommen von 265,92 EUR aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuzurechnen sei, welches sie erworben hätte, wäre sie zuvor ihrer Erwerbsobliegenheit hinreichend nachgekommen, indem sie seit Beginn des Jahres 1993 – aus Anlass der Erhebung der ersten Abänderungsklage – eine Halbtags...