Die mangelhaften Bemühungen müssen für die Arbeitslosigkeit ursächlich sein. Eine Ursächlichkeit ist nicht gegeben, wenn für den im konkreten Unterhaltsverhältnis Erwerbspflichtigen nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie seinen persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten keine reale Beschäftigungschance besteht. Das gilt für den erwerbspflichtigen Unterhaltsschuldner und den erwerbspflichtigen Unterhaltsgläubiger gleichermaßen.
Die Prüfung, ob eine reale Beschäftigungschance gegeben war oder ist, muss sich auf den ersten Zeitpunkt der Erwerbspflicht beziehen. Es muss feststehen oder zumindest nicht auszuschließen sein, dass bei genügenden Bemühungen eine reale Chance auf eine Arbeitsstelle bestanden hätte. Das bedeutet, dass sie nicht nur theoretischer Art sein darf. Jeder ernsthafte Zweifel hinsichtlich der fehlenden realen Beschäftigungschance geht zu Lasten des erwerbspflichtigen Betroffenen. Verbleiben solche Zweifel, kann dem Erwerbspflichtigen fiktives Einkommen angerechnet werden. Dies erfolgt für Unterhaltsschuldner und Unterhaltsgläubiger nach vergleichbaren Grundsätzen.
Die fehlende reale Beschäftigungschance auf eine Vollzeitstelle besagt nicht, dass dann nur ein Minijob möglich ist. Sie befreit auch nicht von Erwerbsbemühungen für eine Teilzeitstelle. Die bisherige Tätigkeit in Zeitarbeitsfirmen zu untertariflicher Bezahlung bedeutet ohne weitere Umstände nicht, dass eine tariflich bezahlte Arbeitsstelle nicht gefunden werden kann.
a) Fälle ohne reale Erwerbschance
Die Annahme einer realen Beschäftigungschance durch die Instanzgerichte wird immer wieder vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Es vermisst entweder die konkrete Feststellung eines als erzielbar zugrunde gelegten Gehalts, kritisiert die Höhe des für erzielbar gehaltenen Gehalts oder die Annahme einer realen Beschäftigungsmöglichkeit als solche. Ein besonders krasses Beispiel bietet der Fall eines 52-jährigen gelernten Gärtners, der 27 Jahre zuvor einen schweren Unfall mit 45 Prozent Hautverbrennungen erlitten und Folgendes zur fehlenden realen Erwerbschance vorgetragen hatte: Irreparable Verbrennungen dritten Grades an 45 Prozent seines Körpers seien nicht heilbar und führten zu dauerhaften, erheblichen Schmerzen. Trotz Hauttransplantationen sei die verbrannte Haut vernarbt und das Gewebe dauerhaft geschädigt. An heißen Sommertagen könne er sich teilweise nicht bewegen. Hitze wie Kälte verursachten Schmerzen. Auch Luftveränderungen sorgten für Hautreizungen. Er müsse still liegen, teilweise nachts die Beine hochlegen. Eine stehende Tätigkeit könne er nicht ausführen. Die Berührung der Kleidung verursache Hautreizungen, die zu nässenden Wunden führe. Die Haut müsse regelmäßig gekühlt werden. Teilweise müsse er seine Beine komplett mit Hydroverbänden bandagieren. Durch die Verbrennungen sei das Herz-Kreislauf-System dauerhaft angegriffen, es komme zu Funktionsstörungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Dazu hatte er ein ärztliches Attest vorgelegt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Das BVerfG hob die Vorinstanz auf, die ohne den Beweisangeboten nachgegangen zu sein, eine reale Erwerbschance gesehen hatte.
Insbesondere bei Frauen, die wegen der Familienphase viele Jahre dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung gestanden haben, wird eine reale Beschäftigungschance – jedenfalls auf eine vollschichtige Arbeitsstelle – häufiger verneint:
Abgelehnt worden ist die reale Chance auf eine vollschichtige Erwerbstätigkeit im Minderjährigenunterhalt für eine Mutter ohne Schulabschluss auf der Sonderschule und ohne Berufsausbildung, die mit 20 Jahren das erste Kind bekommen und dann mindestens 20 Jahre nicht mehr versicherungspflichtig, sondern im Entscheidungszeitpunkt als Haushaltshilfe für 150 EUR im Monat gearbeitet hatte, unter Hinweis darauf, dass im Reinigungsgewerbe überwiegend Teilzeitkräfte gesucht würden. Da die Erwerbsbemühungen unzureichend waren, wurde sie mit einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit (6,50 EUR Stundenlohn) fingiert.
Keine Chance auf eine vollschichtige Arbeitsstelle hat das OLG Hamm für eine Gardinenfachverkäuferin gesehen, die nach 19,5 Jahren in dem Beruf innerhalb der folgenden 17 Jahre nur insgesamt ca. drei Jahre geringfügig und auf kurzzeitigen Stellen mit große...