1. Verwandte, die die Stellung als Vormund erst anstreben, können sich nicht auf das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG berufen. Als Großeltern haben sie aber ein eigenes Recht aus Art. 6 Abs. 1 GG, bei der Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden, sofern tatsächlich eine engere familiäre Bindung zum Kind besteht. Ihnen und sonstigen nahen Verwandten kommt bei der Auswahl des Vormunds oder Ergänzungspflegers der Vorrang gegenüber nicht verwandten Personen zu, sofern nicht im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes durch die Auswahl einer dritten Person besser gedient ist.

2. Der im Falle der Trennung eines Kindes von seinen Eltern strengere grundrechtliche Prüfungsmaßstab kommt im Fall der Überprüfung der gerichtlichen Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers auf deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten naher Verwandter nicht zur Anwendung, weil die Eingriffsintensität einer gegen Verwandte ausfallenden Auswahlentscheidung im Rahmen des § 1779 BGB regelmäßig hinter der einer Trennung des Kindes von den Eltern zurückbleibt.

3. Die Fachgerichte sind verfassungsrechtlich nicht stets gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Wenn sie aber von der Beiziehung eines Sachverständigen absehen, müssen sie anderweit über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen. Das Gericht muss den als konstant, klar und bestimmt angesehenen Willen des Kindes nicht noch zusätzlich durch einen Sachverständigen überprüfen lassen, wenn es das Kind mehrfach angehört hat, ohne dass dieses von seinem Standpunkt abgerückt wäre, ihm einen Verfahrensbeistand bestellt und einen das Kind betreffenden Befundbericht eines Klinikums verwertet hat.

4. Die Anhörungsrüge nach § 44 FamFG, die sich gegen die Entscheidung im Erinnerungsverfahren richtet, kann nicht deshalb als unzulässig angesehen werden, weil der Beschwerdeführer nicht Beteiligter des Verfahrens und deshalb nicht beschwerdebefugt ist. Die Verwehrung einer Abhilfemöglichkeit des Erinnerungsführers verstieße gegen das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG.

(Leitsätze der Redaktion)

BVerfG, Beschl. v. 30.8.2014 – 1 BvR 1409/14 (AG Düsseldorf, OLG Düsseldorf, BGH, AG Düsseldorf)

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