Dr. Mathias Grandel
Stellen wir uns einen üblichen Ablauf in einer mündlichen Verhandlung über nachehelichen Unterhalt vor. Sie vertreten die Ehefrau: Man diskutiert über den Umfang der Erwerbsobliegenheit Ihrer Mandantin und über die Höhe des Wohnwertes der von der Ehefrau bewohnten Ehewohnung. Beim Ehemann ist die Höhe seines unterhaltsrelevanten Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit genauso umstritten wie die Höhe des Privatnutzungsvorteils seines Dienstwagens. Selbstverständlich nimmt auch die Diskussion über ehebedingte Erwerbsnachteile breiten Raum ein. Man kommt zum Ergebnis, dass jedenfalls derzeit mangels sicherer Prognose darüber, wie lange die erheblichen ehebedingten Erwerbsnachteile fortbestehen, keine Befristung möglich ist.
Nach reichlich zweistündiger Verhandlung – und so viel Zeit muss man heutzutage im Zuge ausgiebiger gerichtlicher Einigungsbemühungen mindestens einplanen – gelingt es tatsächlich, sich auf einen nachehelichen Unterhält ohne Befristung zu einigen.
Bevor die ob der vermeintlichen Einigung sichtlich entspannte Richterin zur Protokollierung des Vergleichs ansetzt, kommt nun der Satz, der Sie in der Sympathieskala von Gericht und Gegenseite stark abfallen lässt: "Wir müssen jetzt aber noch den Altersvorsorgeunterhalt meiner Mandantin herausrechnen."
Jetzt müssen Sie ganz stark bleiben: "Herr Anwalt, wir haben uns jetzt doch endlich geeinigt. Wieso stellen Sie alles infrage?" Auch der Kollege auf der Gegenseite äußert völliges Unverständnis.
Als Anwalt des unterhaltsberechtigten Ehegatten führt eigentlich kein Weg daran vorbei, den Altersvorsorgeunterhalt stets geltend zu machen, jedenfalls dann, wenn noch ein angemessener Elementarunterhalt verbleibt. Es ist schon länger ständige Rechtsprechung des BGH, dass der Nachteil, dass ein Ehegatte geringere Rentenanwartschaften erzielt hat, weil er in der Ehezeit seine Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung unterbrochen hatte, kompensiert ist, wenn ein vollständiger Versorgungsausgleich stattgefunden hat.
Davon nicht erfasst ist der Fall, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Ehe ehebedingt ein geringeres Erwerbseinkommen erzielt und demgemäß auch nur geringere Rentenanrechte aufbauen kann. Auch hier hat der BGH aber zwischenzeitlich einen Riegel vorgeschoben. Ein solcher etwaiger Nachteil sei nicht nur dann ausgeglichen, wenn der Unterhaltsberechtigte zur freiwilligen Erhöhung seiner Altersrente einen Altersvorsorgeunterhalt verlangt hat, sondern schon dann, wenn er ihn theoretisch "hätte verlangen können" (BGH FF 2014, 365). Das belegt die Bedeutung dieses Anspruchs.
Es bleiben also nur zwei Möglichkeiten in der mündlichen Verhandlung:
a) Man riskiert, es beim Elementarunterhalt zu belassen. Die Zahl der Fälle, in denen aufgrund der Einführung des § 1578b BGB und der befristungsfreundlichen Rechtsprechung ein Unterhaltsanspruch noch das Stadium des Unterhalts wegen Alters erreicht, dürfte gering sein. Allerdings kann das Problem auch bei den deutlich häufigeren Fällen auftreten, in denen Erwerbsunfähigkeit eintritt.
b) Man macht sich in der mündlichen Verhandlung unbeliebt und besteht auf der Titulierung des Altersvorsorgeunterhalts. Schließlich besteht er und erhöht den Gesamtanspruch zugunsten der Mandantin. Der Vergleichsbetrag wird selten mit dem eingeklagten Unterhalt übereinstimmen. Man muss den Vorsorgeunterhalt also ad hoc in der Verhandlung berechnen, um ihn titulieren zu können. Die Zeit muss sein und auch das Gericht sollte dafür Verständnis aufbringen, zumal eine spätere Nachforderung im Wege des Leistungsantrages nur möglich ist, wenn man sich das im Vergleich vorbehält. Dann wird aber wohl kein Vergleich mehr zustande kommen. Eine spätere Abänderung kann nicht alleine darauf gestützt werden, dass der Vorsorgeunterhalt nicht tituliert war. Die Bremer Tabelle erlebt also einen zweiten Frühling und wird zum ständigen Begleiter im Handgepäck. Vielleicht kommt auch irgendwann die "Gutdeutsch App" fürs Smartphone mit dem Modul für den Vorsorgeunterhalt.
Autor: Dr. Mathias Grandel
Dr. Mathias Grandel, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Augsburg
FF 12/2015, S. 469