Dr. Birgit Grundmann
Dr. Martin Menne
FF/Schnitzler: Liebe Frau Dr. Grundmann, lieber Herr Dr. Menne, herzlichen Dank dafür, dass Sie sich zu einem Interview bereitfinden. In den Jahren von 2004 bis 2008 haben Sie beide die Unterhaltsrechtsreform 2008 im Bundesministerium der Justiz ganz maßgeblich mitgestaltet. Wer hatte seinerzeit überhaupt die Idee, das Unterhaltsrecht in weiten Bereichen zu reformieren, insbesondere beim Kindesunterhalt, beim Betreuungsunterhalt und bei den Befristungsvorschriften?
Dr. Grundmann: Die Zeit war damals einfach reif für eine Reform! Wir haben im Jahr 2004 mit den Vorarbeiten begonnen. Damals gab es im politischen Raum, bei den Rechtsanwendern, aber auch in der Wissenschaft ein weit verbreitetes Gefühl, dass in einigen Bereichen des Unterhaltsrechts dringender Reformbedarf besteht. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass es – einmal abgesehen von der Entschließung des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2000, das Unterhaltsrecht zu vereinfachen und die Rangverhältnisse zu ändern – kaum konkrete politische Vorgaben für die Reform gab: Bei der Vorbereitung des Referentenentwurfs haben wir daher zunächst die vorhandenen statistischen Daten und empirischen Untersuchungen ausgewertet und die vorliegenden Reformforderungen gesichtet und bewertet. Diese Analyse hat einen deutlichen Reformbedarf in den von Ihnen genannten Bereichen ergeben. Wir haben dann ein Reformkonzept erarbeitet und frühzeitig eine Expertengruppe mit Vertretern aus Rechtsprechung, Anwaltschaft, Rechtswissenschaft und den Jugendämtern zu Rate gezogen, die die Entstehung des Referentenentwurfs eng begleitet hat. Die Bedürfnisse der Praxis sind also vom ersten Tag an in die Gesetzgebungsarbeiten eingeflossen.
Dr. Menne: Das Unterhaltsrecht ist – wie das Familienrecht allgemein – immer ein Spiegel der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Und in diesem Bereich hatte sich seit den letzten großen Reformen im Unterhaltsrecht – im Ehegattenunterhalt war das seinerzeit das Unterhaltsänderungsgesetz 1986 und beim Kindesunterhalt das Kindesunterhaltsgesetz 1998 – tatsächlich einiges getan. Dazu gehört die stärkere Kindzentriertheit des Familienrechts – Stichwort Kindeswohl –, verbunden mit der vielfach sehr viel bewussteren Rolle, die Väter heute, anders als früher, in der Familie übernommen haben und weiter übernehmen. Die tradierten Ehemodelle, die teilweise in unserer Elterngeneration noch gang und gäbe waren, sind mehr und mehr auf dem Rückzug zugunsten einer bunten Vielfalt von individuellen Entwürfen, wie Ehe und Partnerschaft heute gelebt und ausgestaltet werden. Mit dazu beigetragen haben natürlich auch die hohe Zahl an gut ausgebildeten Frauen und die kontinuierlich angestiegene Erwerbstätigenquote von Frauen. An die Stelle der früher weit verbreiteten "Hausfrauenehe" und der Vorstellung von der Ehe als einer lebenslangen, sogar Trennung und Scheidung überdauernden Versorgungseinrichtung ist inzwischen überwiegend das Konzept der beiderseitigen Berufstätigkeit, verbunden mit einer zeitweiligen "Familienpause" – zunehmend häufiger übrigens für beide Elternteile – getreten und, wenn es zu Trennung oder Scheidung des Paares kommen sollte, der Wunsch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit vom früheren Partner oder Partnerin – Stichwort "Eigenverantwortlichkeit". Auch das war mit ein Impuls, das Unterhaltsrecht der Lebenswirklichkeit stärker anzupassen. Dabei war schließlich auch die anhaltend hohe Zahl von Scheidungen zu berücksichtigen, von der mehr und mehr Kinder betroffen sind, aber auch, dass in Deutschland mittlerweile bereits etwa ein Drittel aller Kinder außerhalb einer bestehenden Ehe ihrer Eltern geboren werden.
FF/Schnitzler: Sie haben seinerzeit auch gemeinsam ein Buch verfasst, das den Werdegang der Unterhaltsrechtsreform 2008 genau nachzeichnet, aber auch bestimmte Rückschlüsse auf die Schwierigkeiten innerhalb des Ministeriums erkennen lässt, eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten, die im politischen Raum dann ja auch sehr kontrovers diskutiert wurde. Wenn ich mich recht erinnere, war am Anfang, im Frühjahr 2006 nach der Verabschiedung des Regierungsentwurfs, die Aufregung nicht ganz so groß. Ich kann mich auch noch an die Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages von Oktober 2006 erinnern. Die Sachverständigen waren überwiegend der Auffassung, dass das Gesetzgebungsverfahren zügig durchzuführen sei. Ich selbst habe auch dafür plädiert, insbesondere das "Altersphasenmodell" entfallen zu lassen und endlich die Möglichkeit zu eröffnen, den nachehelichen Unterhaltsanspruch zu begrenzen und zu befristen (§ 1578b BGB). In der Folgezeit kam es aber offenbar zu Problemen zwischen den großen Parteien. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit, insbesondere auch an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die unmittelbar vor einer wichtigen Weichenstellung die Sache noch einmal verzögert hat?
Dr. Grundmann, Dr. Menne: Das ist richtig; der Referentenentwurf zum Unterhaltsänderungsge...