Götz/Schnitzler (Hrsg.)2017, 371 Seiten, 119 EUR, C.H. Beck Verlag
Das vorliegende Buch ist ein überzeugender Beleg für die Sinnhaftigkeit von Jubiläen, die Anlass bieten, den Entstehungszusammenhang und die Entwicklung des zu bejubelnden Geschehens Revue passieren zu lassen. Letzteres haben die 31 Autoren des Sammelbandes in gewinnbringender Weise getan. Ihre Beiträge gehen von der familienrechtlichen Situation am 1.7.1977 aus und stellen die an diesem Tage in Kraft getretenen Reformregelungen und deren weitere Entwicklung vor dem Hintergrund sich wandelnder gesellschaftlicher Verhältnisse dar.
Der Band ist klar und übersichtlich strukturiert. Die am Beginn stehenden Berichte prominenter Zeitzeugen des Familienrechts (Uwe Diederichsen, Dieter Schwab, Lore Peschel-Gutzeit, Sigfried Willutzki) vermitteln eindrucksvoll, welch einschneidende politische Zäsur die Reform des Eherechts im Jahre 1977 darstellte und welche Pionierarbeit die Juristen nach Inkrafttreten der neuen Regeln zu leisten hatten. Nach dem Beitrag "Familienrechtsreform und Verfassungsrecht" (Gabriele Britz) werden die reformierten Materien im Einzelnen abgearbeitet. Geschickt ist hier der konzeptionelle Zugriff. Es gibt stets zwei Beiträge zu einem Themenbereich. Der erste Beitrag stellt die Thematik insgesamt vor, der zweite greift dann einen speziellen Aspekt aus ihr auf.
Sachlich den größten Raum nimmt das Unterhaltsrecht ein, beginnend mit dem Ehegattenunterhalt. Dem erhellenden Überblick von Rolf Schlünder "Ehegattenunterhalt von 1977 bis 2015 und darüber hinaus" folgen die Betrachtungen von Renata v. Pückler zum Maß des Ehegattenunterhalts "Eheliche Lebensverhältnisse – ein verlässlicher Maßstab für die Zukunft?". Dann geht es um die Gefahren, des Anspruchs auf Alimentierung durch den Ehegatten verlustig zu gehen. Klaus Schnitzler zeigt diese anhand der Regelungen zur "Verwirkung von Unterhaltsansprüchen § 1579 BGB – Entwicklung 40 Jahre" anschaulich auf. Im Anschluss dokumentiert Regina Bömelburg unter dem Titel "Neudefinition der Verwirkungstatbestände?" wie die gerichtliche Praxis die gesetzlichen Tatbestände mit den vielfach unbestimmten Rechtsbegriffen interpretiert und umgesetzt hat. Die Beschränkung nachehelicher Unterhaltsverantwortlichkeit ist Gegenstand des Beitrages von Gabriele Ey zur "Begrenzung und Befristung nachehelichen Unterhalts – 40 Jahre Rechtsentwicklung". Der sich anschließende Aufsatz von Birgit Niepmann greift zwei in diesem Zusammenhang zentrale Aspekte auf: "Lebensstandardgarantie versus Nachteilsausgleich: Die Beschränkungen des nachehelichen Unterhalts nach § 1578b BGB".
Die nächsten beiden Beiträge sind dem Kindesunterhalt gewidmet. Unter dem Titel "40 Jahre Ausbildungsunterhalt" informiert Andreas Frank über diesen Anspruch, der erst mit Einführung der Regressmöglichkeit bei den privatrechtlich Unterhaltsverpflichteten für staatlich gewährte Ausbildungsleistungen Ende der 60er Jahre praktische Relevanz erlangt hat. Um die Leistungsfähigkeit der Eltern und den – recht beschränkten, so das überzeugende Fazit – Einfluss des Mindestlohns auf diese geht es in dem Beitrag von Wolfgang Keuter "Kriterien und Möglichkeiten des § 1603 Abs. 2 BGB in Zeiten des Mindestlohns".
Der klar strukturierte Überblick von Beatrix Weber-Monecke über "Elternunterhalt – Entwicklung in drei Jahrzehnten" setzt zeitlich am Ende der 80er Jahre an. Erst da nämlich wurde die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen – ausgelöst durch die sich stetig steigernden fiskalisch bedingten Regresszugriffe der öffentlichen Hand für vorfinanzierte Heim- und Pflegekosten. Heinrich Schürmann reflektiert im folgenden Beitrag diese Rechtsprechung unter dem Aspekt der Wechselwirkung zwischen privatrechtlichen Unterhaltspflichten und öffentlich-rechtlichen Sozialleistungen. Überzeugend arbeitet er unter dem Titel "Der Elternunterhalt – Tradition in einer sich ändernden Gesellschaft?" heraus, dass die Regelungen des BGB hier weitgehend nur noch Zuweisungsfunktion haben. Bestand und Umfang der elterlichen Ansprüche hat die öffentliche Hand, die diese dann aus übergegangenem Recht geltend macht, zuvor nämlich durch ihre (Sozial)Leistungen selbst bestimmt.
Der Betreuungsunterhalt ist das letzte der unterhaltsrechtlichen Themen. "40 Jahre Betreuungsunterhalt – Blick zurück nach vorn" betitelt Martin Menne seine Betrachtungen. Dass die Ausrichtung dieses Anspruchs am Kindeswohl keine Selbstverständlichkeit war und ist, verdeutlicht insbesondere der Blick auf die einstige DDR-Regelung, in der (auch) dieser Unterhaltsanspruch spätestens zwei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung endete – die möglichst rasche Integration der Mütter in das Erwerbsleben ging Kindeswohlerwägungen vor. Im folgenden Aufsatz "§ 1615l BGB im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs" zeigt Roger Schilling auf, wie die Rechtspraxis die offenen Fragen zum Betreuungsunterhalt nicht verheirateter Eltern gelöst un...