Christiane A. Lang

Das Jahr neigt sich dem Ende und bietet Anlass, ein wenig zurückzublicken. Zum Jahresbeginn entschied der BGH mit seinem Beschluss vom 1.2.2017 (XII ZB 601/15), dass und unter welchen Voraussetzungen die Familiengerichte das paritätische Wechselmodell auch gegen den ausdrücklichen Willen eines Elternteils anordnen können.

Die I. und II. Instanz wiesen die Anträge des geschiedenen, mitsorgeberechtigten Vaters damit zurück, dass das Wechselmodell rechtssystematisch der Ausübung der elterlichen Sorge und nicht dem Umgang zuzuordnen sei, es schlicht aus rechtlichen Gründen nicht angeordnet werden könne, dass das Umgangsrecht nicht der gleichberechtigten Teilhabe beider Eltern am Leben ihrer Kinder diene und dort an seine Grenzen stoße, wo es zu einer Veränderung des Lebensmittelpunkts des Kindes führen würde, und schließlich aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Verpflichtung des Gesetzgebers bestünde, bei fehlender Einigkeit der Eltern die paritätische Kinderbetreuung als Regelfall vorzugeben.

Was hat der BGH daraus gemacht? Er hat klargestellt, dass § 1684 BGB kein antragsgebundenes Verfahren und das Kindeswohl immer der entscheidende Maßstab ist. Dann kommt er zum Kern seiner Entscheidung: Ja, es ist zulässig, das paritätische Wechselmodell als Umgangsregelung gerichtlich anzuordnen. Denn das Gesetz schreibe keinen maximalen Umfang des Umgangs vor, aus der Systematik des Sorge- und Umgangsrechts folge gerade keine Einschränkung hinsichtlich des Umfangs der Umgangskontakte und nach Wortlaut und Systematik sei kein Ausschluss des Wechselmodells durch das Gesetz zu sehen. Wichtig: Entscheidender Maßstab für die mögliche Anordnung ist und bleibt das Kindeswohl unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Eltern. Die materielle Prüfung des Kindeswohls ist für uns also nichts Neues; es gelten die anerkannten und bekannten Kriterien des Kindeswohls, wobei der BGH hervorhebt, dass die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern grundsätzlich schon bestehen müsse und nicht erst über das Wechselmodell versucht werden solle, diese herzustellen.

Den Streit, ob es sich bei der Festsetzung des Wechselmodells immer um eine umgangsrechtliche und keine sorgerechtliche Regelung handelt, löst der BGH mit seiner Entscheidung nicht auf. Er lässt offen, ob auf einen entsprechenden sorgerechtlichen Antrag eines Elternteils und wenn ja, mit welchem Inhalt eine auf die Anordnung des Wechselmodells gezielte Sorgerechtsregelung möglich ist. Eine eindeutige Zuordnung des Wechselmodells zum Umgangs- oder Sorgerecht gibt es also (noch) nicht. An dieser Stelle erinnere ich mich an unsere Mitgliederumfrage 2015, in der diese Eindeutigkeit ebenfalls fehlte. Wir hatten Sie gefragt, ob Ihrem Eindruck nach Ihre Mandanten das Wechselmodell als Thema der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts wahrnehmen: 51 % gaben die elterliche Sorge und 49 % das Umgangsrecht an. Auf die Frage, ob Sie das Wechselmodell im umgangsrechtlichen oder sorgerechtlichen Kontext geregelt sehen wollen, gaben 37 % an, die Betreuungsregelung im Umgangsrecht zu wünschen, 60 % favorisierten das Sorgerecht und 3 % schlugen eine eigene Ausgestaltung des Kindschaftsrechts vor.

Auch wenn im Lichte der neuen BGH-Rechtsprechung die Weichen auf "Wechsel" gestellt zu sein scheinen, bleibt abzuwarten, ob und wann sich allerorts ein deutlicher Trend zum Wechselmodell in unseren Aktenaufkommen widerspiegelt.

Autor: Christiane A. Lang

Christiane A. Lang, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin

FF 12/2017, S. 469

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