1. Sachlicher Anwendungsbereich
§ 1578b BGB findet dem Wortlaut nach auf alle Tatbestände des nachehelichen Unterhalts Anwendung. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 15.9.2010 eine Befristung des Anspruchs auf Zahlung von Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB abgelehnt. Denn die Vorschrift enthält bereits eine Billigkeitsregelung für die Zahlung von Unterhalt über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus. Bejahe man also einen solchen Anspruch, sei – so der BGH – bereits eine umfassende Billigkeitsabwägung vorgenommen worden. Dieselben Überlegungen, die zu einer Fortdauer des Unterhaltsanspruchs führten, könnten nicht für eine Befristung eben dieses Anspruches herangezogen werden. Eine Begrenzung des Anspruches auf den angemessenen Unterhalt sei dagegen möglich, wobei die Belange der gemeinschaftlichen Kinder zu wahren sind.
Eine Billigkeitsregelung enthält auch die Vorschrift des § 1576 BGB, die Unterhalt gewährt, wenn ein Ehegatte an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist und die Versagung von Unterhalt grob unbillig wäre. Hier fließen ebenfalls Kriterien der Billigkeit in die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1576 BGB ein, die einen Zugriff auf § 1578b BGB verschließen. Ob diese Vorschrift nun von vornherein keine Anwendung findet oder kein Raum für neue, im Rahmen des § 1578b BGB zu prüfende Momente der Billigkeit vorhanden ist, kann dahinstehen. Der Streit ist rein akademisch und ändert an dem gefundenen Ergebnis, dass auch der Unterhaltsanspruch aus § 1576 BGB einer Befristung nicht zugänglich ist, nichts.
2. Grundregeln für die Anwendung des § 1578b BGB
Der Bundesgerichtshof hat bereits in seinem Urt. v. 12.4.2006 der damaligen Beschränkungsnorm des § 1573 Abs. 5 BGB eine Struktur gegeben, die er der Folgezeit in ständiger Rechtsprechung auf die Neuregelung des § 1578b BGB angewendet hat. Nach dieser Rechtsprechung ist der nacheheliche Unterhalt in der Regel nicht unmittelbar mit Rechtskraft der Ehescheidung zu befristen oder zu begrenzen. Dem geschiedenen Ehegatten ist vielmehr eine Übergangsfrist zuzubilligen, während der er Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.d. § 1578 Abs. 1 BGB erhält.
Nach Ablauf der Schonfrist ist zu unterscheiden: Erzielt der Ehegatte das Einkommen, das er auch ohne die Ehe erwirtschaften würde oder könnte er dieses Einkommen bei einer vollständigen Ausnutzung seiner Arbeitskraft erzielen, ist sein angemessener Bedarf gedeckt; für einen weiteren Unterhaltsanspruch ist kein Raum. Die Zahlungsverpflichtung endet mit dem Ablauf der Schonfrist (Befristung). Ist der bedürftige Ehegatte allerdings bei vollständiger Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheiten nicht in der Lage, das Einkommen zu erarbeiten, dass er ohne die Ehe hätte erzielen können, liegt ein ehebedingter Nachteil vor, der lebenslang auszugleichen ist. Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs scheidet im Regelfall aus; dieser ist allerdings zu begrenzen auf die Differenz zwischen den tatsächlich erzielten und den ohne die Ehe erzielbaren Einkünften, also dem angemessenen Lebensbedarf. Bei Ehen von langer Dauer können Befristung und Begrenzung unter dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität insgesamt ausscheiden.
Diese vom Bundesgerichtshof gefundene Auslegungsregel arbeitet mit einer eigenen Begrifflichkeit, die in der Folgezeit immer wieder eingesetzt und mit Leben ausgefüllt wurde. Zur Frage nach der Dauer der Schonfrist, dem Vorhandensein und der Kompensation ehebedingter Nachteile, dem angemessenen Lebensbedarf und der Bedeutung der Ehedauer gibt es inzwischen eine umfassende, bereits kasuistisch zu nennende Rechtsprechung, die im Folgenden dargestellt werden soll.
a) Ehebedingte Nachteile
aa) Der Begriff der ehebedingten Nachteile
Eines der gewichtigsten, wenn nicht das gewichtigste der Anwendungskriterien des § 1578b BGB ist das des ehebedingten Nachteils. Sein Stellenwert innerhalb der genannten Billigkeitsmomente folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach insbesondere zu berücksichtigen ist, inwieweit durch die Ehe Nachteile entstanden sind im Hinblick auf die Möglichkeit, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Die ehebedingten Nachteile sind daher vorrangig zu prüfen und können sich nach § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB ergeben aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von...