Auszüge aus der Debatte des Deutschen Bundestages vom 15.3.2018 (19. Wahlperiode, 20. Sitzung, Plenarprotokoll S. 1702–1711, Tagesordnungspunkte 15a u. 15b)
a) Beratung des Antrages der FDP-Fraktion
Getrennt leben – Gemeinsam erziehen: Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall einführen (Drucksache 19/1175)
b) Beratung des Antrages der Fraktion Die Linke
Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen – Keine Festschreibung des Wechselmodells als Regelmodell (Drucksache 19/1172)
Katrin Helling-Plahr (FDP): […] Wir wollen, dass das Wechselmodell, wenn die Eltern keine andere einvernehmliche Regelung treffen, bei der Betreuung von Kindern nach der Trennung der Eltern zum Regelfall wird. […] Der Wechselmodell-Begriff ist nicht streng paritätisch, sondern flexibler zu interpretieren. Wer von beiden Elternteilen wie viel Barunterhalt zahlt, bestimmt sich anteilig nach dem Einkommen beider. […]
Mechthild Heil (CDU/CSU): […] Die allermeisten Eltern in Deutschland schaffen es auch im Falle einer schmerzhaften Trennung, einvernehmlich ein Betreuungsmodell zu vereinbaren, ein Betreuungsmodell, mit dem die Kinder und die beiden Eltern gut leben können. […] Für die Kinder bedeutet das Wechselmodell konkret, dass sie in den beiden Haushalten der getrennten Eltern zeitlich annähernd gleichwertig betreut werden. Das kann im Einzelfall die beste Lösung sein; aber es muss nicht immer die beste Lösung sein. […] Die Eltern müssen in räumlicher Nähe zueinander wohnen. […] Für dieses wirklich kostenintensive Modell müssen die nötigen Finanzmittel zur Verfügung stehen, und die Eltern müssen in einem konstruktiven Kommunikationskontakt zueinander stehen. […] Was Familien in Trennungssituationen hilft, sind gut ausgebildete Familienrichter. Wir brauchen unabhängige Gutachter und Verfahrensbeistände, und wir sollten unsere Familiengerichte darin stärken, am Einzelfall orientierte Entscheidungen zu treffen, statt neue Regelfälle zu definieren […]
Sonja Amalie Steffen (SPD): […] Der Riesenvorteil des Wechselmodells besteht darin, dass die Kinder weiterhin beide Elternteile erleben – auch im Alltag. […] Sie wollen nämlich – so steht es in Ihrem Antrag –, dass das Wechselmodell zum Regelfall wird. Wenn es um Kinder geht, dann kann es aber keine Regelfälle geben. Das individuelle Kindeswohl – und nicht das Vorliegen eines Regelfalls – ist absolut entscheidend. […] Deshalb: Wechselmodell ins Gesetz zur Klarstellung, ja, und zwar mit allem, was dazugehört, aber als Regelfall, nein.
Nicole Höchst (AfD): […] Sie möchten das Wechselmodell nach Scheidung gesetzlich verbindlich verankern und an die Stelle des Residenzmodells setzen […] Ja, es muss unbedingt vom Kindeswohl aus gedacht werden. Aber nicht ein abstraktes Modell der Gleichheit zwischen Mutter und Vater sollte ausschlaggebend sein, sondern die konkreten Bedürfnisse der Kinder sollten im Vordergrund stehen: Gerechtigkeit statt Gleichmacherei. […] Die AfD ermuntert die Bundesregierung ausdrücklich, eine Rechtslage zu schaffen, die geeignet ist, Eltern dabei zu unterstützen, die beste individuelle Betreuungsform für ihre zerbrochene Familie zu finden und auf Augenhöhe zu vereinbaren. […] Geschiedene Eltern sind in ihrer Ehe zwar gescheitert, aber dennoch mündige Bürger, die selbst entscheiden können, was für sie gut ist.
Katrin Werner (DIE LINKE): […] Denn ob ein Wechselmodell im Sinne des Kindeswohls funktioniert, hängt von sehr vielen Faktoren ab. […] Sind Erwachsene hochzerstritten […] – geht es immer zulasten der Kinder. Dann ist es für sie unerträglich, zwischen den Eltern zu pendeln. Liebe FDP, Konfliktmanagement per Gesetz kann nicht funktionieren. Das Kind muss im Mittelpunkt stehen. […] Natürlich spielt der Kindeswille eine zentrale Rolle. Wenn ein Kind gegen das Wechselmodell ist, sollte es grundsätzlich nicht angeordnet werden. […] brauchen wir flächendeckend eine bessere personelle und sachliche Ausstattung der Jugendämter und Familiengerichte […] müssen wir flächendeckend Richter und Richterinnen sowie Gerichtspfleger und -pflegerinnen hinsichtlich der kinderfreundlichen Gestaltung eines Gerichtsverfahrens professionell schulen. […]
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): […] Es geht eben nicht um Elterngerechtigkeit, sondern alleine um das Wohl des Kindes. Worum es schon gar nicht geht, ist die Frage, ob der Kindesunterhalt gerecht ist. […] Der BGH hält es sogar ganz theoretisch für denkbar, das Wechselmodell gerichtlich zu beschließen, wenn es dem Kindeswohl entspricht, ohne dass er dies aber in dem konkret zu entscheidenden Fall bejaht hätte. Im Gegenteil, die theoretische Möglichkeit schränkt er gleich wieder ein: […] Auch Familienrichterinnen und -richter und Sachverständige müssen entsprechend qualifiziert sein. Wir Grünen plädieren daher auch für gesonderte Einstiegsvoraussetzungen für eine Tätigkeit am Familiengericht. […]
Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): […] wichtig, dass wir für jedes Kind und für jeden einzelnen Fall eine Einzelprüfung vorsehen. Als Lösung kann das Wechse...