EGBGB Art. 14 Abs. 1 Nr. 3;FamFG § 107 Abs. 1 S. 1;BGB § 1385 § 1386
Leitsatz
1. Für die Beurteilung der bei Eheschließung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB in der Fassung vom 21.9.1994 bestehenden engsten Verbindung der Ehegatten mit einem Staat kann auch die der Eheschließung nachfolgende Tatsachenentwicklung indizielle Bedeutung haben. (Rn 31)
2. Die Feststellung der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 107 Abs. 1 S. 1 FamFG, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines von einem ausländischen Gericht erlassenen Scheidungsurteils gegeben sind, wirkt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils zurück (Fortführung von Senatsurt. v. 6.10.1982 – IVb ZR 729/80, FamRZ 1982, 1203). (Rn 36)
3. Die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1385, 1386 BGB ist nicht mehr möglich, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft zuvor durch Scheidung beendet worden ist. Eine dennoch ergangene Entscheidung über die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft ist dann gegenstandslos. (Rn 35)
4. Vorzeitiger Zugewinnausgleich gemäß § 1385 BGB und Zugewinnausgleich nach der Ehescheidung sind verschiedene Streitgegenstände. Die gerichtliche Antragserhebung bezüglich eines dieser Ansprüche führt nicht zur Hemmung der Verjährung auch des anderen (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 24.5.2012 – IX ZR 168/11, FamRZ 2012, 1296). Zum Wechsel vom Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung zum Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich bedarf es – wie auch im umgekehrten Fall – einer wirksamen Antragsänderung. (Rn 44)
BGH, Beschl. v. 26.6.2019 – XII ZB 299/18 (OLG Frankfurt/M., AG Hanau)
Aus den Gründen
Anm. der Red.: Die Entscheidung ist abgedruckt in FamRZ 2019, 1535 m. Anm. Looschelders und NJW 2019, 2935 m. Anm. Niethammer-Jürgens/Wölfer.
2 Anmerkung
Die Entscheidung enthält zu drei güterrechtlich relevanten Themenkomplexen überzeugende Klarstellungen, die auf der Linie der im Schrifttum und in der Rechtsprechung vertretenen Meinungen liegen.
Zunächst ging es um die Anwendbarkeit deutschen Sachrechts auf die güterrechtlichen Wirkungen der zwischen dem bosnischen Ehemann und der polnischen Ehefrau im Jahre 1983 in Deutschland geschlossenen Ehe.
Zu entscheiden war diese Frage (noch) nach Art. 15 i.V.m. Art. 14 EGBGB a.F. Art. 15 EGBGB ist seit Inkrafttreten der Europäischen Güterrechtsverordnung (EU 2016/1103) am 29.1.2019 aufgehoben, Art. 14 EGBGB seit diesem Tag geändert. Gleichwohl behalten die kollisionsrechtlichen Ausführungen der Entscheidung weiterhin Bedeutung. Denn abgesehen davon, dass es noch eine Weile dauern wird, bis die EuGüVO in der Praxis Anwendung findet – sie gilt erst für Ehen, die nach dem 29.1.2019 geschlossen worden sind –, behält das im gegebenen Sachverhalt ausschlaggebende kollisionsrechtliche Anknüpfungskriterium der "gemeinsamen engsten Verbundenheit" der Ehegatten (Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F.) auch unter der Geltung der EuGüVO Bedeutung. Haben Ehegatten nämlich keine Rechtswahl getroffen, unterliegen ihre güterrechtlichen Verhältnisse – im Falle des Fehlens eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes und mangels gemeinsamer Staatsangehörigkeit – dem Recht des Staates, mit dem sie "zum Zeitpunkt der Eheschließung am engsten verbunden" sind (Art. 26 Abs. 1 lit.c EuGüVO).
Diese – also nach wie vor kollisionsrechtlich relevante – Verbundenheit bei Eheschließung lässt sich, das führt der BGH in Übereinstimmung mit der Vorinstanz plausibel aus, auch aus der Entwicklung der Wohn- und Lebensverhältnisse nach der Heirat schließen. Denn der nach dieser begründete gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt lässt den Schluss auf das Bestehen entsprechender Pläne bei der Eheschließung zu – dies jedenfalls dann, wenn die Wahl des Aufenthalts- und Wohnortes nicht unerwartet eingetretenen Umständen geschuldet ist. Für Letzteres gab es im zu entscheidenden Fall keinerlei Anhaltspunkte. Die Ehegatten hatten schon vor der Eheschließung nahezu durchgehend ihren Daseinsmittelpunkt in Deutschland gehabt und dann auch zeitnah zur Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Hanau genommen und diesen langjährig beibehalten.
Aus diesen Umständen auf die engste staatliche Verbundenheit des bosnisch/polnischen Ehepaares mit Deutschland zu schließen, überzeugt. Dass die güterrechtlichen Verhältnisse nach deutschem Recht zu beurteilen waren, folgte hier noch aus Art. 15 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB a.F. – bei Eheschluss nach dem 29.1.2019 ergäbe sich dies aus Art. 26 Abs. 1 lit. c EuGüVO.
Die zweite entscheidungsrelevante Klarstellung betraf die in § 107 FamFG geregelte Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen in Deutschland. Konkret ging es um die im Jahre 2011 erfolgte Anerkennung des vom Ehemann in Bosnien erstrittenen Scheidungsurteils durch das OLG Frankfurt. Mit der herrschenden Meinung hält der BGH fest, dass Anerkennungen gemäß § 107 FamFG auf den Zeitpunkt zurückwirken, zu dem die ausländische Entscheidung im Urteilsstaat wirksam geworden ist. Der Güterstand der Parteien war hier also mit Eintritt der Rech...