a) Unsachliche Bewertung des Gutachtens
Nachdem das Gutachten erstellt worden ist, kritisieren einige Anwälte das Gutachten, das in ihren Schriftsätzen dann nur noch als "Schlechtachten" bezeichnet wird, in einer Art und Weise, die euphemistisch als unsachlich zu bezeichnen ist. Auch wenn solche Kritik möglicherweise im Strafrecht üblich ist, hindert ein solches Vorgehen ein konsensuelles Zusammenwirken der Beteiligten, im Rahmen der mündlichen Verhandlung, welches gerade bei familienrechtlichen Verfahren im Sinne der Kinder wesentlich ist. Es wird von Ergüssen des Sachverständigen gesprochen, dass der Sachverständige in keiner Weise geeignet, das Gutachten nicht ansatzweise richtig sei. Der Sachverständige gaukle dem Gericht einen Hausbesuch vor und erfinde Tatsachen, blubbere seine Ausführungen im Gutachten schlichtweg dahin. Die Gutachtenqualität wird umgekehrt reziprok zum Ego des Verfassers bezeichnet.
Neben der Kritik wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass ein solches Gutachten nach JVEG nicht vergütet werden könne. Es wird in den Schriftsätzen bereits angedroht, dass nicht nur der betroffene Elternteil, sondern auch die Kinder einen eigenen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Gutachter einfordern werden.
b) Herausgabe von Unterlagen
Vermehrt werden im Nachgang alle Unterlagen, die zur Erstellung des Gutachtens seitens des Sachverständigen herangezogen werden, von den Anwälten und in der Folge vom Gericht angefordert. Gemäß ZPO ist der Sachverständige gehalten, auf Anforderungen des Gerichts alle schriftlichen Notizen herauszugeben.
Nicht jede Mitschrift eines Sachverständigen ist für andere lesbar, Notizseiten können mit persönlichen Kommentaren ausgefüllt sein. Auch digital aufgezeichnete Gespräche und videografierte Interaktionsbeobachtungen, müssen vom Sachverständigen auf Anforderung des Gerichts herausgegeben werden. Dabei ist die Frage, ob der Sachverständige, wenn er selbst als Person oder nur seine Stimme erkennbar ist, ein Urheberrecht auf seine Stimme und auf sein Bild hat, rechtlich bisher nicht geklärt.
Zudem ist nicht abgesichert, dass diese Unterlagen und Aufzeichnungen von den Parteien, die meist nicht wohlwollend dem Sachverständigen gegenüber sind, nicht im Internet verbreitet werden. Der Sachverständige kann in diesem Falle nur im Einzelfall auf Unterstützung und Schutz seitens des Gerichts hoffen. Der Sachverständige könnte nur mit erheblichem Aufwand Internetrecherchen durchführen und bei den Providern auf eine Löschung drängen, was häufig vergebens sein wird.
c) Herausgabe von Testverfahren
Ein besonderes Problem stellt die vermehrte Forderung einiger Parteien dar, verwendete Testverfahren, also nicht nur die Auswerteblätter, sondern das ganze Testverfahren mit Handbuch und den Testfragen, herauszugeben, die vom Gericht dann an die Betroffenen weitergeleitet werden, obwohl ein Urheberrecht bzgl. der Testverfahren besteht.
Die Folge ist, dass Handbücher und gesamte Testverfahren, die nur von entsprechend qualifizierten Fachleuten bei der Testzentrale bestellt werden können, über das Internet in einschlägigen Foren zugänglich gemacht werden. Mit einem solchen Vorgehen verlieren Testverfahren ihren Sinn, da sich zu testende Personen auf die Testverfahren vorbereiten können. Damit werden für den Sachverständigen wichtige diagnostische Möglichkeiten versperrt, was mittelfristig wiederum dem Kindeswohl schaden könnte.
Auch zu diesem Problembereich gab es bisher noch keine eindeutig obergerichtliche Entscheidung. Richter sind oftmals mit den Hintergründen dieser Forderungen nicht richtig vertraut, orientieren sich ausschließlich am Verfahrensrecht, nachdem jeder Verfahrensbeteiligte in der Regel Einsicht in die Unterlagen bekommen kann.
d) Gegengutachten
Die Rechte der Parteien, auch im Hinblick auf die kritische Überprüfung eines Gutachtens, müssen gestärkt bleiben. Gegengutachter spielen dabei eine wesentliche Rolle. Leider stellt sich die Rolle der Gegengutachter im familiengerichtlichen, aber auch in möglichen zivilrechtlichen Verfahren oftmals anders dar, als dies für andere forensische Konfliktfelder (ärztlicher Haftungsprozess, Schadensgutachten bei Häusern oder Kfz u.a.) gilt.
Sogenannte professionelle Gegengutachter erkannten einen lukrativen Markt. Jeder kann Gegengutachten erstellen, es bestehen bisher keine Mindeststandards für Stellungnahmen zu Gutachten. Sie sollten, was sie in der Praxis meist nicht erfüllen, unter dem Primat der Neutralität und Unparteilichkeit und nicht als Gefälligkeitsgutachten erstellt werden.
Leider können meist weder das Gericht, noch die Verfahrensbeteiligten, die Qualität des sog. Gegengutachters abschätzen. Für unzufriedene Parteien oder Anwälte ist es häufig nur bedeutsam, dass das vorliegende Gutachten kritisiert wird, mit der erwünschten Folge eines weiteren Gutachtens, unabhängig davon, ob die Kritik am Gutachten inhal...