Die Rechte der Parteien, auch im Hinblick auf die kritische Überprüfung eines Gutachtens, müssen gestärkt bleiben. Gegengutachter spielen dabei eine wesentliche Rolle. Leider stellt sich die Rolle der Gegengutachter im familiengerichtlichen, aber auch in möglichen zivilrechtlichen Verfahren oftmals anders dar, als dies für andere forensische Konfliktfelder (ärztlicher Haftungsprozess, Schadensgutachten bei Häusern oder Kfz u.a.) gilt.
Sogenannte professionelle Gegengutachter erkannten einen lukrativen Markt. Jeder kann Gegengutachten erstellen, es bestehen bisher keine Mindeststandards für Stellungnahmen zu Gutachten. Sie sollten, was sie in der Praxis meist nicht erfüllen, unter dem Primat der Neutralität und Unparteilichkeit und nicht als Gefälligkeitsgutachten erstellt werden.
Leider können meist weder das Gericht, noch die Verfahrensbeteiligten, die Qualität des sog. Gegengutachters abschätzen. Für unzufriedene Parteien oder Anwälte ist es häufig nur bedeutsam, dass das vorliegende Gutachten kritisiert wird, mit der erwünschten Folge eines weiteren Gutachtens, unabhängig davon, ob die Kritik am Gutachten inhaltlich und fachlich begründet ist, oder nicht. Wie oben ausgeführt wird das Kindeswohl von vielen Aspekten mitbestimmt, kein Sachverständiger wird alle Variablen diagnostizieren und im Hinblick auf die gerichtliche Fragestellung bewerten können. Somit kann jedes Gutachten kritisiert werden, was nicht bedeutet, dass das Gutachten gemäß des fachlichen Standards oder die Empfehlung des Sachverständigen falsch ist. Dies gilt umso mehr, wenn die anderen Fachpersonen, wie Verfahrensbeistand und Vertreterin des Jugendamtes die Empfehlung des Gutachtens mit unterstützen können.
Mittlerweile werden über Internetforen oder Presse bekannt gewordene Gegengutachter, unabhängig von ihrer fachlichen oder persönlichen Kompetenz, beauftragt. Auch akademische Titel sind kein Qualitätskriterium (auch nicht für den gerichtlich beauftragten Sachverständigen).
Bei den Gegengutachten fällt oftmals auf, dass diese bei der Beurteilung des ihnen vorliegenden gerichtlich beauftragten Gutachtens andere Maßstäbe anlegen, als die, die sie an ihre eigenen Gutachten anlegen. Gegen ihr besseres Wissen stellen sie Forderungen auf, was Darstellung der Testverfahren und deren Ergebnisse, Leitfäden für die Explorationen oder deren Auswertung betrifft. Sie bemängeln Begründungstiefe im Befund bei Kriterien, die für den Familienkonflikt nicht von Relevanz sind (z.B. Aussagen über Erziehungskompetenz bei Umgangsfragen).
Eine oftmals aufgestellte Behauptung ist, dass der beauftragte Sachverständige aufgrund der fehlenden Approbation keine familienpsychologischen Gutachten hätte erstellen können. Es ist seitens des BGH jedoch geklärt, dass keine Approbation erforderlich ist.
Manchmal wird der Gegengutachter mit den gerichtlich beauftragten Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung geladen. Während sich der Sachverständige durchaus unangenehme Fragen zu seiner Qualifikation und Person gestatten lassen muss, erfolgt in der Regel keine solche Überprüfung der Fachkompetenz des Gegengutachters. Der Gegengutachter hat zudem einen taktischen Vorteil, da er sich auf seine Fragen gegenüber dem Sachverständigen vorbereiten kann, während dies der Sachverständige bei der überraschenden Anwesenheit des Gegengutachters nicht kann.
Bei schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen zum Gegengutachten ist zu befürchten, dass die inhaltliche Auseinandersetzung, die oftmals auf einem theoretischen Niveau geführt wird, die Juristen wenig berührt. Es können vom Gegengutachter bestimmte Theorien in den Raum gestellt werden, die möglicherweise vom Sachverständigen ad hoc nicht beantwortet werden können oder deren Diskussion in eine fachliche Ebene abgleitet wird, die für die Beteiligten nicht mehr nachvollzogen werden kann. Dies mag am Beispiel "Entfremdung des Kindes durch einen Elternteil (PAS)" erläutert werden: Der gerichtlich beauftragte Sachverständige kann eine Beeinflussung des Kindes zum Schaden eines Elternteils durchaus erkannt, dies aber nicht unter dem Konzept von PAS diskutiert haben, was vom Gegengutachter heftig kritisiert wird. Ähnliche kritische Diskussionen können die Notwendigkeit von Testverfahren, statistischen Angaben bei den Ergebnissen der Testverfahren, sowie bei der Diskussion um Vertrauensintervalle der Testergebnisse entstehen, die meist nicht zielführend sind, da Tests in der Regel bei der familienpsychologischen Begutachtung keine allein entscheidungserhebliche Rolle spielen, sondern meist der Hypothesenprüfung dienen, letztlich explorationsunterstützend und vor allem nicht alleine eine Tatsache belegend, eingesetzt werden.
Es kommt auch vor, dass private Stellungnahmen zu Gutachten häufig polemisch verfasst sind. Meist kommen sie zu dem Schluss, dass das Gutachten nicht geeignet sei, um einer Entscheidung des Gerichts zugrunde gelegt zu werden. Damit wird in die richterliche Unabhängigkeit und Beweiswürdigung eingegriffen,