Die Verfahrensvorschriften im Familienrecht ermöglichen ein faires Verfahren. Sie regeln und kontrollieren das Vorgehen des Sachverständigen und die Rechte der Beteiligten. Diese beinhalten z.B. eine enge Begrenzung der sachverständigen Ermittlungen durch den Beweisbeschluss, die Freiwilligkeit an der Teilnahme der Begutachtung, die Mitsprache der Parteien bei der Auswahl der Sachverständigen, das Recht, ein vorliegendes Gutachten zu kritisieren und auf Mängel hinzuweisen, sowie die Möglichkeit des Sachverständigen nachzubessern. Dies alles sind notwendige Verfahrensvorschriften und machen einen Rechtsstaat aus. Sie helfen, die Tätigkeit des Sachverständigen kontrollieren zu können. Sie können aber bis hin zur Grenze des Missbrauchs ausgedehnt werden, worauf im Folgenden eingegangen werden soll.

Die Angriffe gegen Sachverständige richten sich gegen diesen persönlich und gegen den Berufsstand im Allgemeinen. Sie können bereits während der Begutachtung auftreten, oftmals erst nach Vorliegen der Einschätzungen des Sachverständigen. Weitergeführt werden können diese außerhalb des familienrechtlichen Verfahrens, in dem der Sachverständige beauftragt war.

1. Nach Beginn der Begutachtung

Vielfältige Ansatzpunkte, welche genutzt werden, um die Arbeit des Sachverständigen anzugreifen, ergeben sich nach Beginn der Begutachtung, von denen im Folgenden einige exemplarisch aufgeführt werden.

a) Fragenkatalog

Immer häufiger wird der Sachverständige nach der Beauftragung von den betroffenen Eltern aufgefordert sich persönlich für die gerichtliche Beauftragung zu rechtfertigen. Dies hat nichts mehr mit sinnvollen Nachfragen zu den vorliegenden Qualifikationen des Sachverständigen zu tun. Es werden dem Sachverständigen vorab umfangreiche Fragenkataloge – die sich auch im Internet finden lassen – zugesandt, mit der Aufforderung die Fragen, die bis in persönlichste Bereiche hineinreichen, zu beantworten, ehe sich die Partei bereiterklären will, einen Termin mit dem Sachverständigen zu vereinbaren.

Werden die Fragen vor Beginn der Begutachtung beantwortet, so werden dadurch neue Fragen generiert.

Auch wenn der Sachverständige sich über das Gericht die Genehmigung einholt, die Fragen zu beantworten, bedeutet dies einen immensen Aufwand. Wird vom Richter kaum eine Anleitung gegeben, welche Fragen der Sachverständige, auch wenn sie sehr persönlich sind (z.B. ob er geschieden ist, ob er Kinder hat, welches Alter seine Kinder haben), er tatsächlich beantworten sollte, bleibt offen, ob die Fragen gutachtenrelevant sind. Auf die Anleitungspflicht des Richters kann sich der Sachverständige meist nicht verlassen. Er müsste sich zudem absichern, ob dieser besondere Aufwand vergütet wird, oder ob der Kostenbeamte diese zeitintensive Beantwortung als Vorbereitungstätigkeit für die Begutachtung einstuft, somit nicht Teil der Begutachtung ist und damit gemäß JVEG nicht vergütet wird.

b) Beleidigungen des Sachverständigen bei der Begutachtung

Nicht selten wird der Sachverständige bereits bei der telefonischen Kontaktaufnahme beschimpft oder aufgrund seiner im Internet kritisierten Fachkompetenz herabgewürdigt. Es wird bereits angekündigt, sollte das Gutachten nicht zu einem entsprechenden Ergebnis kommen, dass bereits Gegengutachter engagiert seien.

Beleidigung des Sachverständigen findet am ehesten im Einzelgespräch statt, wenn also keine Zeugen zugegen sind.

Wird ein Sachverständiger von einem Beteiligten bei der Begutachtung beleidigt, kann der Sachverständige dies dem Gericht mitteilen, was oftmals wenig Konsequenzen hat, wenn der Richter es dem Sachverständigen überlässt, dieses Verhalten im Rahmen seiner Begutachtung zu bewerten. Im extremen Falle könnte sich der Sachverständige mit einer zivilrechtlichen Klage auf Widerruf, Unterlassung, Strafanzeige oder mithilfe des Gewaltschutzgesetzes zur Wehr setzen.[19] Inwieweit der Sachverständige sich tatsächlich mit diesen Maßnahmen wehren kann, ist jedoch ungeklärt. Er wäre dann zur Offenbarung gezwungen, dass er im konkreten Fall eine Begutachtung durchgeführt hat, eine Aussage, die bereits der Schweigepflicht unterliegt. Die mit einer Anzeige verbundene Verletzung der Schweigepflicht eröffnet dann wiederum ein Tor für weitere Angriffe gegenüber dem Sachverständigen.

Der Sachverständige kann auch nicht die Begutachtung abbrechen. Diese Entscheidung, genauso, ob Besorgnis der Befangenheit beim Sachverständigen vorliegt, obliegt dem Gericht. Zudem wird vom Sachverständigen erwartet, dass er mit querulatorischen Persönlichkeiten angemessen umgehen kann.

Der Sachverständige hat zudem immer zu bedenken, dass eine Mitteilung gegenüber dem Gericht oder gar eine Anzeige oder Beschwerde gegenüber einem von der Begutachtung Betroffenen in einem laufenden Verfahren den familiären Konflikt verschärft. Daher wird ein solches Verhalten oftmals als überzogene Reaktion des Sachverständigen gewertet. Der Sachverständige wird daher fast immer von einem solchen Vorgehen Abstand nehmen.

[19] Erfreulich sind die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Klarstellung verfassungsrechtlicher Maßgaben für strafrechtliche Verurt...

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