Die beschriebenen zunehmenden Anfeindungen und Widrigkeiten haben Auswirkungen auf die Tätigkeit des Sachverständigen, welche weiter zur Kostensteigerung und zu zeitlichen Verzögerungen führen, was oftmals für das Kindeswohl kontraproduktiv ist.
1. Wiedergabe von Gesprächen
Um einer Diskussionen über falsche Wiedergaben der Gespräche im Gutachten aus dem Weg zu gehen, nehmen einige Sachverständige alle Gespräche digital auf und lassen diese dann transkribieren; Sie diktieren vor den Eltern die Gesprächsinhalte und versehen ihr Diktat mit dem Zusatz "vorgelesen und genehmigt", wie dies anlässlich der Protokollierung des Gerichts geschieht; Sie diktieren im Anschluss ihre Aufzeichnungen und lassen diese Verschriftungen den befragten Personen zur Korrektur und Autorisierung zukommen, um spätere Auseinandersetzungen bzgl. der niedergelegten schriftlichen Wiedergaben im Gutachten zu vermeiden. Es ist dabei nicht geklärt, inwieweit diese Autorisierung getrieben werden soll, betrifft sie nur Informanten oder gar auch Eltern und Kinder und Sorgeberechtigte bezüglich der Aussagen der Kinder, die dann in der Folge einem erhöhten Koalitionsdruck unterliegen würden. Damit bläht sich die Darstellung der Untersuchungsberichte im Gutachten unnötig auf, Transkriptionskosten entstehen, Inhalte werden wiedergegeben, die letztendlich für den Befund nicht bedeutsam oder die für die Beantwortung der Fragestellung unwesentlich sind. Viele somit niedergelegte Daten können den Konflikt zwischen den Eltern verschärfen. Somit steht ein erheblicher Widerspruch im Raum, einerseits transparent vorzugehen und alle erhobenen – auch irrelevanten – Daten den Beteiligten – vornehmlich vor dem Hintergrund der eigenen Absicherung – zur Verfügung stellen zu können, andererseits dem Gebot, keinen zusätzlichen Schaden für Eltern, Kinder oder Familiengefüge zu verursachen und ökonomisch vorzugehen.
Eigentlich ist es Aufgabe und Verantwortung des Sachverständigen, nur die wesentlichen Informationen im Gutachten aufzunehmen. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit durch ein solches Vorgehen die Unabhängigkeit des Sachverständigen gewahrt bleibt, vor allem, wenn umfassende Verbesserungen, Korrekturen, Abschwächungen und Ergänzungen in der Gesprächswiedergabe durch die Angefragten erwünscht sind und dann seitens des Sachverständigen erfolgen.
Zumindest fördert ein solch formalistisches Vorgehen, das eher an eine polizeiliche Vernehmung erinnert, nicht das Hinwirken auf Einvernehmen. Es ist Aufgabe und Verantwortung des Sachverständigen, nur die wesentlichen Informationen im Gutachten aufzunehmen. Auch eine audiodigitale Aufzeichnung aller Begutachtungsinhalte wird die compliance der Eltern nicht fördern, welche beim Hinwirken auf Einvernehmen notwendig ist. Viele Informationen können damit auch nicht erfasst werden (z.B. Beobachtungen im Hausbesuch).
2. Fehlende Angaben
Um ein nicht genehmes Gutachten auszuhebeln, werden von den Anwälten Aspekte im Gutachten aufgegriffen, die in der Regel keine Relevanz für Befund oder Beantwortung der Fragestellung haben. So wird vom Sachverständigen zu begründen verlangt, warum die Dauer der Gespräche mit den Parteien unterschiedlich war, oder es muss begründet werden, warum Testverfahren nur bei einem Elternteil angewandt worden sind und beim anderen nicht oder warum psychologische Verfahren nicht angewandt worden sind (was bei der Fülle von möglichen Testverfahren unsinnig erscheint). Um dem vorzubeugen verfassen Sachverständige wiederum dazu langwierige und kostenintensive Ausführungen im schriftlichen Gutachten.
3. Diagnosen
Sachverständigen wird empfohlen, selbst wenn sie approbiert sind, im Gutachten keine Diagnosen zu stellen, um nicht später aufgrund von angeblichen Persönlichkeitsverletzungen im Hinblick auf angeblich falsche Diagnosen belangt zu werden, wie sie von privat angefragten Therapeuten oder Psychiater immer wieder infrage gestellt werden.
Über Diagnosen kann man sich durchaus trefflich streiten. Dennoch befähigt gerade der Studienabschluss in Psychologie dazu, Diagnostik durchzuführen. Es ergibt sich für den Sachverständigen aber ein Risiko für erhebliche Angriffe, wenn er Diagnosen stellt, auch wenn für eine Empfehlung die Diagnose nicht ausschlaggebend war, sondern das konkrete Verhalten des Elternteils gegenüber dem Kind, das durchaus dem Krankheitsbild der gestellten Diagnose entspricht.
4. Unklare Formulierungen
Im Befund und bei der Beantwortung der Fragestellungen werden vermehrt Formulierungen wie "es könnte sein", "es gibt Hinweise auf", "der SV geht davon aus", "es ist nicht auszuschließen, dass", "es ist wahrscheinlich" verwendet, um nicht eindeutig festgelegt zu werden, damit später keine Haftungsprobleme wegen uneidlicher Falschaussage, vorgespielter Sicherheit oder Persönlichkeitsverletzungen begründet werden können.
Dies wiederum führt dazu, dass die Sachverständigen von Gerichten und den anderen Verfahrensbeteiligten kritisiert werden, sich zu wenig festzulegen und ihre Beantwort...