FamFG § 158
Leitsatz
1. Auch nach der Neufassung von § 158 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FamFG bleibt es dabei, dass der Beteiligte eines kindschaftsrechtlichen Verfahrens beim Familiengericht die Prüfung anregen kann, ob die Bestellung des Verfahrensbeistands aufzuheben ist; aus dieser Anregung erwächst dem Familiengericht die Pflicht, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen und hierüber durch Beschluss zu entscheiden.
2. Bei der Auslegung des Prüfungsmaßstabes der "Gefährdung der Kindesinteressen" nach § 158 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 FamFG, bei deren Vorliegen die Bestellung des Verfahrensbeistands aufzuheben ist, hat das Familiengericht das Spannungsverhältnis zwischen seiner Pflicht, dem minderjährigen Kind zur Wahrnehmung seiner verfahrensrechtlichen Interessen einen in persönlicher und fachlicher Hinsicht geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, und dem Umstand, dass der Verfahrensbeistand ein einseitiger Vertreter des Kindes ist, der seine Aufgaben eigenständig, frei von Weisungen wahrnimmt und weder unter der "Oberaufsicht" des Familiengerichts steht noch zur Objektivität oder Neutralität verpflichtet ist, zu berücksichtigen. Dieser "advokatorische Charakter" des Anwalts des Kindes macht es erforderlich, den Prüfungsmaßstab für eine Aufhebung der Bestellung äußerst restriktiv und mit größter Zurückhaltung zu handhaben.
KG, Beschl. v. 20.8.2021 – 16 UF 2/21 (AG Pankow)
Aus den Gründen
Gründe: I. [1] Die geschiedenen Eltern streiten über bestimmte Aspekte der elterlichen Sorge für ihren gemeinsamen, aus der Ehe hervorgegangenen, heute 15 Jahre alten Sohn. Der Vater wendet sich gegen den am 23.10.2020 erlassenen Beschluss des Familiengerichts, mit dem sein Antrag zurückgewiesen wurde, die gemeinsame Sorge beider Eltern aufzuheben und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Jugendlichen auf ihn allein zu übertragen; sein erstinstanzliches Begehren verfolgt er in der Beschwerdeinstanz weiter. Die Mutter, die der Beschwerde des Vaters entgegentritt, hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens einen Widerantrag angebracht, mit dem sie fordert, dass die elterliche Sorge für B auf sie allein übertragen wird.
[2] Nach Eingang der Sache beim Senat sind die Beteiligten unter Setzung einer kurzen Frist auf die Absicht hingewiesen worden, dem Jugendlichen einen Verfahrensbeistand zu bestellen, da nach ihrem Vortrag das Vorliegen eines erheblichen Gegensatzes des Interesses des Jungen zu demjenigen seiner Eltern anzunehmen ist und zusätzlich eine Trennung des Jungen aus der mütterlichen Obhut in Betracht kommt, so dass mehrere Regelbeispiele für eine Verfahrensbeistandsbestellung verwirklicht sind. Nach Gewährung von rechtlichem Gehör – Mutter und Vater haben die Absicht des Senats begrüßt – hat der Senat B mit Beschl. v. 24.3.2021 eine berufsmäßig tätige Verfahrensbeiständin im "erweiterten Aufgabenkreis" bestellt.
[3] Nach Einsichtnahme in die Akte und die umfangreichen Beiakten hat die bestellte Verfahrensbeiständin mit dem Jugendlichen und den Eltern gesprochen und unter dem 16.4.2021 u.a. berichtet, dass B sich auf ein Gespräch mit ihr eingelassen habe; dass der Junge in einem Loyalitätskonflikt stünde, den er in der Vergangenheit nicht anders habe bewältigen können als sich für einen Elternteil zu entscheiden; er in der letzten Zeit in seiner Persönlichkeit sehr gereift sei; mittlerweile eigene "Bewältigungsmechanismen" entwickelt habe; sich zunehmend von seinen Eltern distanziere und sich stärker an seiner "Peergroup" orientiere. Mutter und Vater haben zu dem Bericht und der ausgesprochenen Empfehlung kontrovers Stellung genommen; die Mutter hat widerantragend die Übertragung der elterlichen Sorge insgesamt auf sich allein begehrt. Der Widerantrag wurde vom Senat zum Anlass genommen, die Verfahrensbeiständin zu bitten, ergänzend zu berichten. Am 17.6.2021 hat sie (u.a.) berichtet, dass der Junge seit Dezember 2019 ausschließlich im Haushalt der Mutter lebe und an seinem Lebensmittelpunkt nichts ändern wolle. Die von B für diese Entscheidung angeführten Gründe hat sie referiert und sodann unter Bezugnahme auf einen ausdrücklichen Wunsch des Jugendlichen zum Widerantrag Stellung genommen. Fünf Tage später, am 22.6.2021, hat sie ihren Bericht nach einem Gespräch mit B ergänzt und auf dessen Auffassung verwiesen, dass "die Nebenschauplätze seiner Eltern nicht mehr so sein Ding seien"; dass es ihm bessergehe; es so bleiben solle sowie schließlich, dass B mit seinem Vater wieder "texten" würde und er sich überlegt habe, den Vater zwar nicht sofort, aber demnächst wieder sehen und möglicherweise auch bei ihm übernachten zu wollen. Die Verfahrensbeiständin hat die Gesprächssituation näher beschrieben und kommentiert. Für den Fall, dass Mutter und Vater bei ihrer jeweiligen Antragstellung bleiben sollten hat sie ihre bisherigen Empfehlungen bekräftigt.
[4] Unter Verweis auf die Berichte vom 17. und vom 22.6.2021 und seine Auffassung, dass die Verfahrensbeiständin dort eine unsachliche und nicht dem Kindeswohl entsprechende Auffassung vertrete, beantragt der Vater, die ...